Klosterrundgang
Im Mittelalter war das Kloster eine Niederlassung der Dominikaner. Die Mitglieder dieses Ordens zogen sich nicht in die ländliche Einsamkeit zurück, sondern widmeten sich der Seelsorge an der Bevölkerung sowie theologisch-philosophischen Studien. Als Bettelorden verzichteten sie auf Wirtschaftseinkünfte und lebten allein von Spenden. Die im 13. und 14. Jahrhundert errichtete Anlage besteht aus der Kirche und den um einen Kreuzgang angeordneten Klausurgebäuden. Im Spätmittelalter entstand westlich der Kirche ein separater Bibliotheksbau.
Bibliothek und Kapelle
Dieser Bauteil westlich des heutigen Museumsfoyers wurde erst 1497 als Ergänzung der Klosteranlage errichtet. Während die obere Etage die Bibliotheksbestände beherbergte, diente das Untergeschoss als Liebfrauenkapelle. Eigenständige Kapellenbauten entstanden während des Spätmittelalters, als Laien verstärkt in das religiöse Leben einbezogen wurden. Sie dienten als Andachtsräume für Bruderschaften oder Familien. Möglicherweise wurde die hier befindliche Kapelle von einer Rosenkranzgilde oder der Liebfrauenbruderschaft genutzt, einer dem Orden verbundenen Laiengemeinschaft. Die Gewölbe der Kapelle fielen einem Umbau zum Spritzenhaus der Feuerwehr im 18. Jahrhundert zum Opfer. Nach 1945 richtete die Pauligemeinde sich hier eine Notkirche ein. Erst bei der Sanierung 2004 – 2007 wurde die ursprüngliche Zweigeschossigkeit wiederhergestellt.
Klosterkirche und Stadt
Die Bettelorden zogen sich nicht wie die Zisterzienser in die Einsamkeit zurück, sondern siedelten sich in den Städten an und öffneten ihre Kirchen den Bürgern.
Das zur Stadt hin orientierte Nordportal ist besonders aufwändig und einladend gestaltet, es diente den Bürgern als Zugang.
In der weiten Halle des Kirchenschiffes konnten viele Menschen die Predigten der Dominikaner hören. Hier befanden sich auch Nebenaltäre, die Bürger oder Gilden gestiftet hatten. Grabdenkmäler erinnerten an verdiente Persönlichkeiten und einflussreiche Familien.
Chor - Kirchenraum des Konvents
Im Chor, dem östlichen Teil der Klosterkirche feierten die Ordensbrüder in unmittelbarer Nähe zum Hochaltar ihre Gottesdienste. Der Chor entstand um 1286 als ältester Bauabschnitt der Klosterkirche. An den Längsseiten befand sich das Gestühl des Konvents. Eine nicht mehr vorhandene Trennwand, der Lettner, schloss den Chor später vom Kirchenschiff der Laien ab.
1. Vom Hochaltar überdauerten Reste des steinernen Unterbaues und der Deckplatte.
2. Farbige Glasfenster tauchten den Raum in feierliches Licht. Erhalten blieben einige um 1320/30 gefertigte Scheiben. Szenen aus dem Leben Jesu in der mittleren Bahn sind Begebenheiten aus dem Alten Testament an den Seiten zugeordnet. Einige Scheiben wurden im 19. Jahrhundert ergänzt.
3. In der spitzbogigen Wandnische (Zelebrantennische) auf der Südseite nahm der Priester Platz, der gerade die Messe zelebrierte.
4. Das Backsteinmauerwerk war im Inneren durch rote Farbe und weiß aufgemalte Fugen idealisiert. Einige Stellen waren besonders geschmückt, wie Reste des Rankenfrieses im östlichen Arkadenbogen zeigen.
5. An die Südseite des Chores schließt das Kloster an. Deshalb waren echte Fenster hier nicht möglich. Optische Symmetrie im Chorraum erreichte man durch Blendfenster mit aufgemalter Scheinverglasung.
6. Die Inschriften mit Renaissance-Rahmung erinnern an die Wiedereinweihung der Paulikirche als evangelische Pfarrkirche nach der Reformation 1560 und weisen auf die frühere Klostergeschichte hin.
7. Durch das südliche Portal gelangten die Ordensbrüder von der Klausur in die Kirche. Eine seitliche Wandnische nahm das Weihwasserbecken auf. In den oberen Mauerpartien sind mit der Mündung schräg nach unten geöffnete Kugeltöpfe eingebaut. Diese so genannten Schalltöpfe sollten die Akustik verbessern.
Mauertreppe
Im Zuge der Sanierungsarbeiten wurden in der Südmauer Reste einer bauzeitlichen Treppenanlage entdeckt. Vom Pfortenraum aus ermöglichte sie ohne Umwege einen schnellen Aufgang zum Obergeschoss der Klausur.
Die Treppe war von der Kirche aus nicht zugänglich. Da die Mauerstärke zur Aufnahme des Treppenaufgangs nicht ausreichte, ragte er als kastenartiger Baukörper in den Kirchenraum hinein. Nach Aufgabe der Treppenanlage wurden an dieser Stelle zwei Grabplatten eingemauert. Deren Abtrittsspuren lassen vermuten, dass sie ursprünglich im Boden der Kirche eingelassen waren.
Klosterpforte
Der Gang im Norden des Westflügels führte vom Klostervorplatz über die Pforte um Kreuzgang. Er ermöglichte den Zugang zur Klausur, dem Lebens- und Arbeitsbereich der Dominikaner. Dieserinnere Klosterteil war, außer bei öffentlichen Veranstaltungen wie politischen Zusammenkünften, Gerichtsverhandlungen oder Empfängen, von der Außenwelt abgeschlossen. Frauen hatten keinen Zutritt. Den Eingang kontrollierte ein Ordensbruder, der das Amt des Pförtners innehatte. Durch die jetzt vermauerte Türöffnung (rechts) gelangte man zu einem halb in der Kirchenmauer gelegenen Treppenaufgang.
Kreuzgang - Rückgrat des Klosters
Der zentrale Kreuzgang ist ein Kennzeichen abendländischer Klosteranlagen. Er verbindet die einzelnen Bauteile des Klosters. Das Paulikloster besitzt den am besten erhaltenen Kreuzgang aller märkischen Bettelordensklöster. Im späten 13. und im 14. Jahrhundert wurde der Kreuzgang zusammen mit den angrenzenden Bauten errichtet. Vermutlich schmückten einst Schriftzüge und Malereien die oberen Teile der Wandflächen. Die Ordensbrüder nutzten ihn zur Meditation und für Prozessionen. Außerdem diente er als Bestattungsort für den Konvent sowie für wichtige Bürger- und Adelsfamilien. Nach der Auflösung des Klosters im 16. Jahrhundert wurde diese Tradition fortgeführt. Die heute noch erhaltenen Grabdenkmäler stammen aus der Barockzeit.
Eine Besonderheit vieler Bettelordensklöster ist die Zweigeschossigkeit des Kreuzgangs. Die einfachen, nicht gewölbten Gänge im Obergeschoss verbanden Schlafplätze, Studienräume und Gästezimmer.
Chorportal
Durch das Gewändeportal gelangten die Ordensbrüder von der Klausur direkt in den Chor der Kirche. Ursprünglich war der Kreuzgang an dieser Stelle zu einem Vorplatz erweitert, dessen Gewölbe auf einer freistehenden Stütze ruhte. Der Bau des Kirchturms im 15. Jahrhundert führte zur Verkleinerung dieses Bereichs. Als Auflager für das Gewölbe fand eine romanische Säulenbasis Verwendung.
Das Portalgewände besteht au großen Terrakottastücken, die nachträglich in die Maueröffnung eingesetzt wurden. Sie waren durch rote Bemalung vereinheitlicht. Im Bogen wechselte rote und weiße Bemalung.
Kapitelsaal - Ort der Kommunikation
Das reich gestaltete Portal kennzeichnet den Zugang zu diesem Hauptraum der Klostergemeinschaft. Er lag üblicherweise in der Mitte des Ostflügels. Hier versammelten sich die Brüder jeden Morgen zur Lesung eines Kapitels aus der Ordensregel und zur Besprechung anstehender Aufgaben. Der Kapitelsaal war ehemals über zwei Pfeilern zweischiffig gewölbt. Aus Bildquellen und anderen Klöstern ist bekannt, dass sich in solchen Räumen umlaufende Bänke befanden. Der Saal wurde nach der Reformation, beim Umbau des Klosters zum Hospital und Armenhaus, zerstört. An die Lage des heute nicht mehr erhaltenen Raums erinnern das Portal und die zum Kreuzgang offenen Fenster.
Bauabschnitte
Die Klosteranlage wurde nicht in einem Zuge errichtet. Einige Bauunterbrechungen lassen sich noch heute erkennen. Ein Blick auf die Südseite der Kirche zeigt im Mauerwerk eine solche Zäsur, eine Baunaht. Der Baufortschritt war abhängig von den finanziellen Zuwendungen und den zur Verfügung stehenden Grundstücken. Zunächst entstanden der Chor der Kirche, der Ostflügel der Klausur und der östliche Teil des Südflügels. Schrittweise erfolgte der Ausbau nach Westen. Eine Lockerung der ursprünglich strengen Baubestimmungen des Ordens ermöglichte im 15. Jahrhundert den Bau des Kirchturms. Er ersetzte den bisherigen zierlichen Dachreiter über dem Chor.
Hörsaal oder Repräsentationsraum?
Während die meisten Klosterräume durch Umbauten nach der Reformation und spätere Kriegszerstörungen verloren gingen, blieben im Westflügel einige der ursprünglichen Gewölberäume erhalten. Die einstige Funktion des Erdgeschossraums ist nicht bekannt. Vielleicht diente er als Hörsaal für den Studienbetrieb des Ordens oder als Empfangsraum für vornehme Gäste. Der korbbogige Durchbruch an der nördlichen Stirnseite des Raums stammt von einem barockzeitlichen Umbau.
Refektorium - Speisesaal
Hier nahmen die Ordensbrüder gemeinschaftlich ihre Mahlzeiten ein. Typisch für mittelalterliche Klosteranlagen ist die Unterbringung des Speisesaals in dem von der Kirche am weitesten entfernten Bauteil. Im Paulikloster ist dies der Südflügel. Von hier war der anschließende Wirtschaftshof mit Küche und Brauhaus gut zu erreichen. Wie Bauspuren an den Umfassungsmauern zeigen, war dieser Raum zweischiffig gewölbt. Er ließ sich durch eine Fußbodenheizung erwärmen. Die erste Bauphase des Klosters umfasste nur den östlichen Teil des Südflügels. Erst nach Abbruch vorhandener Gebäude, die vielleicht zum markgräflichen Stadthof gehörten, war eine Erweiterung nach Westen möglich.
Ostflügel - Kernbau des Klosters
Der im späten 13. Jahrhundert errichtete älteste Teil der Klausur nahm die wichtigsten Funktionen auf. Nach Umbauten und Zerstörungen stehen heute nur noch die alten Umfassungsmauern. Form und Anordnung der Fenster, archäologische Befunde sowie Vergleiche mit anderen Klöstern erlauben die Rekonstruktion der ursprünglichen Raumaufteilung. Die erhaltene Treppe am Nordende führte vom Chor zum Schlafsaal im Obergeschoss. Ein darunter liegender kleiner Gewölberaum diente vermutlich der sicheren Verwahrung von Wertsachen oder Urkunden. Die Sakristei lag anstelle des jetzigen Treppenhauses. Hier wurden liturgische Geräte und Messgewänder aufbewahrt. In diesem Raum bereiteten sich die Priester auf den Gottesdienst vor. Es folgten der Kapitalsaal und ein Durchgangsraum. Den Südteil des Ostflügels nahm die Frateria (Brüdersaal) ein. Große Fenster erhellten diesen Arbeits- und Aufenthaltsraum des Konvents. Bei der Sanierung im Boden aufgefundene Säulenbasen und Spuren an den Wänden zeigen, dass der Raum ursprünglich zweischiffig gewölbt war. Der teilweise ergänzte Kamin auf der Westseite ist ein spätmittelalterlicher Einbau.
Klosterkeller
Der in räumlicher Nähe zum Wirtschaftshof und zur Küche liegende Keller diente als Lagerraum. Da Spenden nicht regelmäßig eingingen, war Vorratshaltung wichtig für die Klostergemeinschaft. Während die Haupträume des Klosters mit zierlichen Birnstabrippen überwölbt waren, besitzt der Keller als untergeordneter Bauteil ein Kreuzgewölbe mit einfachen Bandrippen.
Dormitorium - Schlafsaal
Das Obergeschoss des Ostflügels diente, wie in fast allen Klöstern, als Schlafsaal. Dieser schloss nicht mit einer flachen Decke ab, sondern besaß vermutlich eine in den Dachbereich hineinragende hölzerne Tonnenwölbung. Für Belichtung sorgten die hohen Maßwerkfenster im Südgiebel. Hölzerne Trennwände untergliederten den großen Raum in Zellen. Die spätere Nutzung als Hospital machte eine Zwischendecke erforderlich. Um die ursprüngliche, großzügige Raumwirkung erlebbar zu machen, wurde im Zuge der Sanierungsarbeiten auf eine durchgängige Decke verzichtet.
Wirtschaftshof
Der Wirtschaftshof des Klosters befand sich auf dem jetzt freien Platz südlich der Klausur, in der Nähe des Speisesaals. Heute sind nur noch geringe Reste der Westseite des Brauhauses vorhanden. Außerdem gab es vermutlich Werkstätten und Ställe. Diese Einrichtungen dienten nur dem Eigenbedarf. Die Dominikaner unterhielten keine mit Gewinn arbeitenden Wirtschaftsbetriebe wie Benediktiner oder Zisterzienser. Ihre geistlichen Aufgaben sollten nicht durch geschäftliche Tätigkeiten beeinträchtigt werden.
Lage im Stadtgefüge
Der Blick nach Süden macht die Lage des Klosterareals nahe der Stadtbefestigung deutlich. Ein solcher Standort am Rande der Stadt ist für viele Niederlassungen der Bettelorden typisch. Hier lagen zumeist Besitzungen der Landesherren, die sie den Orden überließen. In manchen Orten waren die Konvente für die Instandhaltung des Stadtmauerabschnittes, der an ihr Kloster angrenzte, zuständig.
Westflügel
Im Paulikloster ist dies der am besten erhaltene Bauteil der Klausur. Die ursprüngliche Funktion seiner Räumlichkeiten ist jedoch unbekannt. Für diesen Bereich gibt es bei den Bettelorden kein verbindliches Nutzungsschema. Wahrscheinlich befanden sich hier Einrichtungen für den Studienbetrieb des Ordens (z. B. Hörsaal). Einige Räume im Südteil wiesen mit Holzbalkendecken und Kaminen wohnlichen Charakter auf. Sie dienten wahrscheinlich zur Unterbringung hochgestellter Gäste. Als Stifter besaßen die brandenburgischen Markgrafen das Recht, Klöster als Aufenthaltsorte zu nutzen. Der noch vorhandene Gewölberaum im Obergeschoss könnte die erste Bibliothek des Klosters beherbergt haben. Erst 1497 wurde ein größerer separater Bau für die angewachsenen Buchbestände errichtet.
Bibliotheksbau
Als letzter Bauteil des mittelalterlichen Klosters entstand Ende des 15. Jahrhunderts unter Einbeziehung älterer Mauerzüge die neue Bibliothek. Sie ist eine der wenigen erhaltenen Studienbibliotheken des Spätmittelalters in Norddeutschland. Klöster beherbergten die umfangreichsten Büchersammlungen des Mittelalters. Zur Unterbringung der Handschriften hatten zunächst kleine Räume ausgereicht. Durch die Erfindung des Buchdrucks stieg die Zahl der Werke, was den Bau größerer Bibliotheken notwendig machte. Dieser Bau ist der einzige Teil des Klosters, für den die genaue Entstehungszeit bekannt ist. In einem Brief an den Rat der Stadt Zerbst erbat der Konvent 1497 die Genehmigung, dort für den begonnenen Bau der Bibliothek Geld sammeln zu dürfen. In dem durch große Fenster gut belichteten Raum standen Lesepulte, an denen die Bücher durch Ketten gesichert waren.
Verbindungsgang
Auf kurzem Wege gelangten die Ordensbrüder von der Klausur zum spätmittelalterliche Bibliotheksgebäude. Die großen Fenster ermöglichen uns heute einen Blick auf den überdachten Vorplatz (Museumsfoyer) und in den Klostergarten.?Im Norden ist der Giebel der Klosterkirche zu sehen. Er wurde im Spätmittelalter verändert, als die Kirche ein steileres Dach erhielt.?Im Süden lag der Klostergarten. Obst, Gemüse, Kräuter und Wein dienten zur Versorgung des Konvents. Die Bettelorden betrieben im Gegensatz zu Benediktinern und Zisterziensern keinen Handel mit den produzierten Lebensmitteln.
Ostflügel - Von außen nach innen
Da der Kreuzgangarm erst nachträglich aufgestockt wurde, ist an dieser Stelle die ursprüngliche westliche Außenseite des Ostflügels zu sehen. Ein Zahnfries, das so genannte "Deutsche Band", gliedert den oberen Mauerbereich. Darunter befinden sich die schmalen Fenster des Dormitoriums (Schlafsaal). Wie restauratorische Befunde zeigen, waren Gesims, Fries und Fenstereinfassungen durch einen weißen Anstrich vom rohen Backsteinmauerwerk abgesetzt. Eine in ihrer ursprünglichen Form bewahrte Fenstereinfassung hat sich auf der Rückseite dieser Mauer im heutigen Treppenhaus erhalten.
Dormitorium - Einblick in eine Zelle
Auch die Dominikaner besaßen einen gemeinschaftlichen Schlafsaal (Dormitorium), der jedoch in Einzelzellen aufgeteilt war. Hierbei handelt es sich um eine Neuerung im Vergleich zu anderen Orden in jener Zeit. Die durch Bretterwände abgetrennten kleinen Räume lagen beiderseits eines Mittelgangs und dienten nicht nur als Schlafplatz, sondern auch als ungestörter Studienort für jeden Ordensbruder. Sie enthielten Schlafbank und Schreibpult.