Ein Beispiel der Neuen Sachlichkeit

Tasse, Porzellan, 1890-1920, Bauhaus/Deutscher Werkbund

Strausberg, Lkr. Märkisches-Oderland,
Leihgabe Klaus Stieger, Müncheberg
Foto: Michael Schneider, BLDAM

Dieses Objekt stammt aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Es ist eine Kaffee-HAG-Tasse, gefunden auf einer Mülldeponie bei Strausberg. In der Tasse spiegeln sich zwei Aspekte wider.
Zum einen ist sie Ausdruck von Ornamentlosigkeit und Schlichtheit, wie sie zuvor noch nicht bekannt war. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es Tendenzen zu einem neuen sachlichen Stil. Dieser neue sachliche Stil in Architektur und Design ist das Ergebnis des 1907 in München gegründeten Deutschen Werkbundes, einem Zusammenschluss von Künstlern, Handwerkern, Architekten und Unternehmern. Ihr gehörten u.a. bekannte Persönlichkeiten wie Henry van de Velde, Bruno Taut, Peter Behrens oder Walter Gropius sowie Ludwig Mies van der Rohe an.
Ziel war es, durch eine optimale Gestaltung den deutschen Industrieprodukten einen hervorragenden Platz auf dem weltweiten Absatzmarkt zu verschaffen. Durch die Verbindungen zwischen Kunst, Industrie und Handwerk konnten somit nicht nur Impulse für Formgebung und Baukultur, sondern auch für weiterführende Prozesse innerhalb der Gesellschaft gegeben werden.
Der zweite Aspekt, der sich in der Tasse zeigt, steht für die Erfolgsgeschichte des Bremer Bürgers Ludwig Roselius, welcher 1906 mit anderen Bremer Großhändlern die Kaffee-Handels-Aktien-Gesellschaft (Kaffee-HAG) gründete. Als weltweit erstes Unternehmen stellten sie koffeinfreien Kaffee her.
Ab 1908 entstanden dann die unverwechselbaren Werbemotive der Marke. Mit Hilfe des Designers, Architekten und Werbegraphikers Wilhelm Christoph Eduard Scotland wurde in den ersten Jahren ein modernes Corporate Design entwickelt. Somit gehörte Kaffee HAG, neben der AEG mit Peter Behrens, zu den ersten Unternehmen mit einem einheitlichen und grafisch geschmackvollen, imagepflegenden, werblichen Auftritt. Das von ihm entwickelte Logo des roten Rettungsringes sollte die Rettung vor gesundheitlichen Schäden symbolisieren. Eine eigens entworfene Schrift unterstützte zusätzlich die Werbung.
Die Tasse ist übrigens das Lieblingsexponat unseres Mitarbeiters Michael Schneider.
Text: BLDAM


Wer schön sein will muss leiden

Schädel, künstlich deformiert – Knochen, Ketzin, Lkr. Havelland

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Diese Redensart kommt einem beim Anblick des verformten Schädels aus einem 1500 Jahre alten Grab von Ketzin, Lkr. Potsdam-Mittelmark, in den Sinn. Auf der Stirn und dicht oberhalb der Augen sind zwei waagerechte Eindellungen erkennbar. Der Kopf der etwa 30 bis 40jährigen Frau ist also bereits im Säuglingsalter, als ihre Knochen noch weich und formbar waren, mit zwei Bandagen fest umwickelt gewesen. Dadurch wurde ihr Kopf künstlich in die Länge gezogen und zu einem sogenannten „Turmschädel“ geformt.
Diese Sitte dieser Schädelverformung stammt ursprünglich aus Zentralasien, aus dem Raum des heutigen Kirgistan und Tadschikistan. Durch Kontakte und Bevölkerungsverschiebungen gelangte sie im Zuge der Völkerwanderungszeit auch in unsere Breiten. In der Forschung wurde das früher mit dem historisch bezeugten Erscheinen der Hunnen in Mitteleuropa in Verbindung gebracht. Moderne Untersuchungen haben aber gezeigt, dass die ersten Trägerinnen der Turmschädel in unseren Breiten zwar genetische Wurzeln im asiatischen Raum hatten, also Personen mit Migrationshintergrund waren, wie man heute sagen würde. Sie kamen jedoch erst später, nach dem Zusammenbruch des Hunnenreichs ab der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts n.Chr., hierher.
Welche Gründe hinter der Schädelverformung standen, ist unbekannt. Aus den Bestattungen lassen sich weder besondere spirituelle Vorstellungen noch Hinweise darauf ableiten, dass es sich bei einem Turmschädel um ein Statussymbol gehandelt hat. Wahrscheinlich diente die Verformung nur dazu, ein modisches Schönheitsideal zu erreichen – ein Ziel, das ja mit einer Schönheitsoperation auch heute weltweit rund 8 Millionen Menschen jährlich anstreben.
Ob die Frau von Ketzin an der Verformung ihres Schädels gesundheitlich gelitten hat? Einige Anthropologen vermuten, dass die Schädelverformungen krampfartige Kopfschmerzen verursachten und auch das Sehvermögen und Gehör beeinträchtigten. Die meisten Anthropologen aber nehmen an, dass das Wohlbefinden nicht durch die Verformung beeinträchtigt wurde.
Text: Dr. Martina-Johanna Brather, BLDAM

Artikel auf facebook nachlesen


Vom Tischgeschirr zur Urne

Terrine mit Rädchenverzierung – Keramik, Cammer, Lkr. Potsdam-Mittelmark

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Urnenbestattungen liegen heute im Trend. Auf manchen unserer Friedhöfe machen sie schon mehr als 75% aller Bestattungen aus. Doch wirklich neu ist dieser Trend nicht. Schon einmal, vor rund 3000 Jahren, wurden Urnen in Teilen des heutigen Landes Brandenburg zur bevorzugten Bestattungsform und sie blieben es fortan bis in die Zeit nach Christi Geburt.
Auch damals gab es Friedhöfe, die über lange Zeit hin genutzt wurden und auf denen hunderte, manchmal sogar tausende Urnen zusammen kommen konnten. Ein solcher Urnenfriedhof lag auch in der Nähe des heutigen Ortes Cammer, Lkr. Potsdam-Mittelmark. Er wurde weitgehend unbeachtet zerstört. Erst in den 1960er Jahren gelang es, die letzten Urnen des Friedhofs durch eine Notbergung zu retten. Sie erwiesen sich als Urnen aus den Jahrhunderten nach Christi Geburt, der Zeit also, in der in unserer Region Germanen lebten.
Als Urnen dienten sehr unterschiedliche Gefäße. Abnutzungsspuren zeigen, dass einige zunächst Haushaltsgeschirr waren, bevor sie, zweitverwendet, als Urne in den Boden kamen. Kein Alltagsgeschirr wird dagegen eine mit geometrisch angeordneten Mustern aufwändig verzierte, schwarz glänzende Urne gewesen sein. Die mit Hilfe eines Rädchens eingestochenen Muster hatten sicher für die damaligen Menschen eine besondere Bedeutung. Welche, das können wir allerdings nur vermuten. Eines der dargestellten Symbole ist zum Beispiel eine Art Hakenkreuz mit verzweigten Seitenarmen. Das ist ein weltweit und über viele Jahrtausende hinweg immer wieder verwendetes Symbol vor allem für „Glück“ und „Leben“. Von den Nationalsozialisten im 20. Jahrhundert wurde es allerdings – und in sicher falschem Bezug auf seine angebliche Bedeutung bei den Germanen – nur als Symbol für das spezifisch Deutsche und "Arische" gesehen. Wenn dieses Gefäß nicht direkt für die Verwendung als Urne angefertigt worden sein sollte, dann war es vielleicht ein Glücksbringer, ein Lebensspender, den die oder der Verstorbene einst zur Begleitung auf dem Lebensweg bis hin zum Weg ins Jenseits erhalten hatte.
Text: Dr. Martina-Johanna Brather


Light my fire! – Von der Sitte, die Toten zu verbrennen

Urne mit Deckelschale und Knochenasche eines vier bis sechs Jahre alten Kindes – Keramik und Knochen, Stadt Cottbus

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Zu Beginn der Bronzezeit um 2200 v.Chr. herrschte eine, nahezu ausschließlich praktizierte Beisetzungssitte: die Körperbestattung. Grob vereinfacht ausgedrückt wird hierbei eine verstorbene Person, manchmal mit Beigaben ausgestattet, in ein Erdgrab gelegt und dieses zugeschüttet.
Ab der Mittleren Bronzezeit machen sich jedoch gravierende Veränderungen im Umgang mit den Toten bemerkbar. Nun setzt sich, in einem Generationen überdauernden Prozess, die Leichenverbrennung durch. Hierbei legt man den Körper auf einen Scheiterhaufen und übergibt ihn dem Feuer. Teile des Leichenbrandes werden schließlich aus den Resten des Totenfeuers herausgelesen und (meist) in eine Urne gefüllt. Diese wird schließlich, zum Teil von Steinen geschützt, von Hügeln überwölbt oder später von Beigefäßen begleitet, in der Erde vergraben.
Die Bronzezeit gilt als eine hochdynamische Epoche, in der Menschen, Waren und Ideen weite Strecken zurücklegten. Auch Vorstellungen rund um die Totenbehandlung scheinen sich nicht nur gewandelt, sondern über Distanzen hinweg transportiert worden zu sein. So setzte sich die Brandgrabsitte schließlich in weiten Teilen des bronzezeitlichen Europas durch. Wir wissen nicht genau, warum man dazu überging, seine verstorbenen Angehörigen zu verbrennen. Immerhin war dies eine gewaltige Neuerung. Mit allen Sinnen zu erleben, wie ein menschlicher Körper von den Flammen verzehrt wird, ist eine sicher beeindruckende Erfahrung.
Hatte das Feuer im Kult eine herausragende Rolle eingenommen? Meinte man, dass die körperliche Hülle zerstört werden muss, um die Seele – sofern an man diese glaubte – freizulassen? Vermutlich werden wir nie genau erfahren, wie die Menschen der Bronzezeit dachten und fühlten.
Die abgebildete Urne mit Deckelschale wurde in der Stadt Cottbus gefunden. Die anthropologische Untersuchung des Leichenbrandes ergab, dass in ihr ein 4 bis 6 Jahre altes Kind seine letzte Ruhe fand.
Der Fund stammt aus der so genannten Lausitzer Kultur, die im Süden des Landes Brandenburg ihren Ausbreitungsschwerpunkt hatte. In der Lausitzer Kultur herrschte ab etwa 1500 v.Chr. die Brandbestattung vor, während man im Norden des Landes noch ein wenig alten Traditionen nachhing. Die Beigabe zahlreicher Gefäße, zum Teil sogar ganzer Geschirrsätze war typisch für die Brandbestattungen jener archäologischen Kultur.
Die Bestattungen dieser Urnengräberkultur liegen auf Gräberfeldern, die bis zu 1000 Beisetzungen umfassen können. Unterschiede bestehen in der Grabausstattung. In der Lausitzer Kultur im Süden Brandenburgs spielen z.B. Gefäße oder ganze Gefäßsätze eine Rolle, fragmentierte Tracht- und Schmuckbeigaben sind wohl eher als symbolische Beigaben zu verstehen. Von der Sitte, die Toten zu verbrennen Größere Gräber konnte Holzkammern enthalten, ihnen fanden sich nach klaren Vorgaben angeordnete Gefäße. Vor dem Zuschütten wurden derartige Grabanlagen abgebrannt. Von der Sitte, die Toten zu verbrennen Grabbau und Beigaben machen auch Unterschiede in der bronzezeitlichen Gesellschaft deutlich. Die Gräber höher gestellter Personen enthalten viele Beigaben und mitunter zwei oder drei Individuen, die vermutlich mit in den Tod folgen mussten.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Vom Feld zum Fladen – Ein 7000 Jahre alter Mahlstein aus Prenzlau

Mahlstein (sog. Unterlieger), Stein um 5200 v. Chr. (Linienbandkeramik), Prenzlau, Lkr. Uckermark

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Der Nachweis von Getreidenutzung bei den ersten sesshaften Ackerbauern und Viehzüchtern gelingt vereinzelt dank Funden von Mahlsteinen, verkohltem Getreide oder Kornabdrücken an Scherben.
Das durchschnittliche Dorf der frühen Jungsteinzeit stellt man sich wie folgt vor: In der Nähe der festen Höfe befanden sich die Felder der Menschen. Diese glichen nach heutigen Maßstäben eher kleinen Gärten. Die bestellten Flächen lagen meist zwischen Haus und Waldrand und waren von kleinen Zäunen umhegt.
Anbau und Verarbeitung von Getreide waren ein durchaus aufwändiges Unterfangen:
Zunächst musste Boden urbar gemacht und bearbeitet werden. Anfangs geschah das Pflügen mit reiner Muskelkraft, im Lauf der Jungsteinzeit übernahmen von Rindern gezogene Hakenpflüge die Arbeit. Erst danach konnte die Aussaat erfolgen. Seit der Frühphase genutzt wurden die Spelzweizenarten Emmer und Einkorn – heute wieder in jedem gut sortierten Bioladen zu finden.
Die Felder mussten dauerhaft gewässert und von unliebsamem Unkraut befreit werden. Die Ernte erfolgt manuell mit Feuersteinklingen bestückten Sicheln. Das eingebrachte Getreide konnte in Gefäßen und/oder Gruben gespeichert werden.
Doch war die Arbeit hiermit noch nicht getan. Für den Verzehr mussten die Körner entspelzt und geworfelt, d.h. die Spreu vom Weizen getrennt werden.
Nun erst konnte man mahlen und Mehl, Schrot oder Gries für Brote, Suppen und Breispeisen herstellen.
Das Mahlen erfolgte ebenfalls per Hand. Mit Mahlsteinen, welche aus einer Basis, dem Unterlieger, und dem darüber geführten Läuferstein bestanden, wurden die Körner in einer konstanten Hin-und Herbewegung zerrieben. Um die Oberfläche des Unterliegers rauh zu halten, wurde dieser von Zeit zu Zeit mit Klopfsteinen bearbeitet.
Diese, im Hocken ausgeführte Tätigkeit war nicht nur eintönig und anstrengend.
Beim Mahlen entstand auch feiner Steinabrieb, welcher mit den Speisen verzehrt wurde. Daher sind die Zähne von Jungsteinzeitlern meist geradezu abgeschmirgelt – heutige Dentisten wären bei diesem Anblick wohl entsetzt.
Der abgebildete Mahlstein ist einer der ältesten Nachweise für Getreideverarbeitung im Land Brandenburg. Er stammt aus einer Siedlung der Linienbandkeramik aus dem uckermärkischen Prenzlau und dürfte um 5200 v.Chr. benutzt worden sein.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Ein slawischer Silberhalsring aus Niederlandin in der Uckermark

Halsring, Silber, 11. Jh., Niederlandin, Lkr. Uckermark
Leihgabe Stiftung Stadtmuseum Berlin
Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Am 27. Februar 1876 machte ein Arbeiter beim Roden von Baumstümpfen im „Sandanger“ genannten Forststück bei Niederlandin eine ungewöhnliche Entdeckung. In etwa 20 cm Tiefe stieß er auf eine Steinplatte, die in der Erde lag. Darunter bemerkte der neugierig gewordene Mann einen beschädigten Tontopf, in welchem grün patinierte Silberstücke lagen. Auch Reste eines Tuches oder Beutels aus Leinen sollen noch sichtbar gewesen sein.
Die gesamte Niederlegung enthielt neben zum Teil fragmentierten Ohrringen, Fingerringen, Teilen eines Silberbeschlags auch so genannte Wendenpfennige und andere Münzen aus verschiedenen europäischen Prägeorten. Die bei älteren Schatzfunden so häufigen arabischen Münzen fehlen hingegen gänzlich.
Auffälligstes Element ist ein großer Silberhalsring. Das ca. 83 Gramm schwere Schmuckstück ist aus 12 paarweise miteinander verdrehten Silberdrähten gefertigt. Den Verschluss bilden angelötete Endplatten mit Haken und – heute leicht beschädigter – Öse, welche mit unterschiedlichen Punzverzierungen bedeckt sind. Ein kleiner geflochtener Ring wurde dem Stück, womöglich als zusätzliche Zier, aufgesteckt.
Das Verbergen des Schatzes, der ein Gesamtgewicht von etwa 1300 Gramm hatte, lässt sich in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts und somit in die spätslawische Zeit datieren.
Der zum Teil absichtlich zerkleinerte Schmuck wird als Hacksilber bezeichnet. Das portionierte und als Zahlungsmittel verwendete Silber gelangte im 10. und 11. Jahrhundert besonders häufig in vergrabene Schatzfunde. Auch gewundene Silberhalsringe kennen wir nahezu ausschließlich aus derartigen Zusammenhängen.
Wir wissen nicht, wer aus welchem Grund diese Reichtümer einst vergraben hat. Möglicherweise machte es die unsichere Zeit notwendig, Hab und Gut zu verstecken. Dass das Silber nie wieder gehoben wurde, lässt ein beklemmendes Schicksal seiner Besitzer vermuten.
Heute sind noch erhaltene Teile des Hacksilberschatzes in der Dauerausstellung des Archäologischen Landesmuseums Brandenburg zu sehen.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM

Artikel auf facebook nachlesen und teilen


Segelohrringe aus Schönwalde-Glien im Havelland

Segelohrringe, zum Teil mit Perlen - Bronze, Eisen und Glas

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Nördlich des Ortes Schönwalde-Glien erstreckt sich ein aus Flugsand aufgewehtes Dünenfeld.
Im Jahr 1979 wurden hier im Rahmen einer Notbergung Teile eines Gräberfeldes der vorrömischen Eisenzeit freigelegt. Dank früherer Untersuchungen war den Ausgräbern der Fundplatz bereits bekannt. Alle überlieferten Gräber aus Schönwalde folgen der zeittypischen Bestattungssitte. Die Verstorbenen wurden verbrannt und ihre Überreste in eine tönerne oder selten aus organischem Material bestehende Urne gefüllt und beigesetzt. Vereinzelt gelangten auch stark zerschmolzene Trachtbestandteile in die Urnen. Demnach waren die Verstorbenen bekleidet und mit ihrem persönlichen Schmuck dem Leichenfeuer übergeben worden.
So auch die im Grab 5 bestattete Frau mittleren Alters. In ihrer Urne fand man außer dem Leichenbrand auch Überreste einer üppigen Schmuckgarnitur. Hierzu gehörte eine Halsmanschette aus bronzenen Spiralröllchen und Blechhülsen sowie eine bronzene Doppelspiralscheibe.
Besonders auffällig sind die Fragmente einer großen Dreiplattennadel, einer für das Havelland typischen Schmuckform, sowie fünf Segelohrringe aus 0,4 mm dünnem Zinnbronzeblech. Die Oberfläche der etwa 3 cm langen Ohrringe, die an ein aufgeblähtes Segel erinnern, ist mit Längswulsten und Punktreihen verziert. Vier der fünf Segelohrringe tragen auf dem Bügel eine Glasperle, deren blaue Färbung noch immer erkennbar ist.
Segelohrringe verschiedener Größe und Gestaltung erfreuten sich in der älteren und frühen jüngeren vorrömischen Eisenzeit bei der Damenwelt großer Beliebtheit. Auch ihre Verbreitung über weite Teile der Bundesrepublik zeugt von der Popularität der Schmuckform.
Es gilt also nicht zu allen Zeiten diamonds are a girl's best friend.
Zudem lässt sich vermuten, dass es der eisenzeitlichen Mode entsprach, die Ringe sowohl einzeln als auch zu mehreren in den Ohren zu tragen.
Auf die Grabungskampagne von 1979 folgten Experimente zur Herstellung der Schmuckstücke. Die abgebildeten Repliken sind Ergebnisse dieser Arbeit. Um die Segelohrringe aus einem dünnen Blech zu treiben, ihre Oberfläche zu glätten und zu polieren und schließlich mit einer Punze die Verzierung anzubringen, braucht man etwa 15 Stunden. Die Herstellung der Glasperlen, die vielleicht als Importe hierher gelangten, sind hier noch nicht inbegriffen.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Jungsteinzeitliche Feuersteinklingen mit Sichelglanz

Klinge (links im Bild): Feuerstein, Bochow, Lkr. Teltow-Fläming
Klinge daneben: Feuerstein, Falkenwalde, Lkr. Uckermark

Foto: David Wenig, BLDAM

An einigen Feuersteinklingen der Jungsteinzeit kann man einen lackartigen Glanz wahrnehmen. Dieser Glanz, auch Sichelglanz genannt, entsteht durch den langen Gebrauch der Klingen beim Schneiden von kieselsäurehaltigen Gräsern, wie z. B. Getreide. Diese Klingen sind somit Zeugnisse der Ernte und waren Bestandteil von Erntemessern oder Sicheln. Diese Geräte gehörten zum wichtigen Inventar einer Ackerbau betreibenden, jungsteinzeitlichen Siedlung. Ein Beispiel ist die Feuersteinklinge aus Bochow, Lkr. Teltow-Fläming, hier links im Bild. Sie datiert auf ca. 5300 – 4300 v. Chr. und wurde von den Linienbandkeramikern oder den Menschen der Rössener Kultur angefertigt.
Bei den Erntemessern handelt es sich um gerade Holz-, Geweih- oder Knochenstücke, in deren Längsseite eine große oder mehrere kleine Feuersteinklingen hintereinander eingesetzt wurden. Im Gegensatz zum geraden Messergriff kennzeichnen sich die Sicheln durch Schäftungen aus einem gebogenen Geweih, Holz- oder Knochenstück, in dessen Krümmung die Feuersteinklingen mittels Birkenpech befestigt wurden. Im Laufe der Jungsteinzeit setzen sich die Sicheln als Erntegerät durch.
Die Verteilung des Lackglanzes auf einer Klinge gibt Hinweise auf deren Anordnung im Griff. Die Exemplare, bei denen sich der Glanz auf die (seitliche) Schneidekante beschränkt, wurden längs in die Schäftung eingesetzt. Bei einigen Klingen verläuft der Sichelglanz aber auch diagonal zur Schneide, was eine schräge Befestigung im Griff anzeigt. Solch eine Anordnung mehrerer Klingen im schrägen Winkel ergibt eine gezackte Schneidekante der Sichel.
In der Jungsteinzeit kultivierte Getreidearten sind Emmer und Einkorn, Vorformen des Weizens sowie Dinkel, Gerste und Rispenhirse. Daneben kannte man auch schon Erbse, Lein und Mohn. Die Ähren wurden mit dem Messer oder der Sichel abgeschnitten, die Körner dann auf einem Reibstein mit einem Läuferstein gemahlen. Außer bei der Ernte von getreideähnlichen Gräsern und Getreide wurden die Messer und Sicheln auch zum Schneiden von Schilf und anderen langen Gräsern aus Feuchtigkeitsgebieten benutzt, die man zum Dachdecken von Hütten benutzte. Diese Verwendung kann man sich sehr gut bei der Klinge mit Sägeretusche der Havelländischen Kultur (ca. 3100 – 2700 v. Chr.) aus Falkenwalde, Lkr. Uckermark, hier rechts im Bild vorstellen, die höchstwahrscheinlich in einem Messergriff steckte.
Bei Ausgrabung eines 120.000 Jahre alten Lagerplatzes in der Nähe von Jülich, Nordrhein-Westfalen konnte für die Epoche der Altsteinzeit der Nachweis von Sichelglanz erbracht werden. Ob mit den hier gefundenen Feuersteinklingen getreideähnlichen Gräser, Schilf oder andere kieselsäurehaltige Pflanzen geschnitten wurden, ist nicht bekannt.
Text: Sandra Lehninger, BLDAM 

Artikel auf facebook nachlesen


Herstellung von Bohrungen an Äxten in der Jungsteinzeit

Bohrkern und Äxte der Jungsteinzeit mit verschiedenen Arten und Stadien der Durchbohrung

Foto: David Wenig, BLDAM

Bohrungen in organischem Material sind seit der Altsteinzeit, in hartem Felsgestein seit der Mittelsteinzeit bekannt. Es gab hier zwei grundlegende Techniken: die unechte und die echte Bohrung.
Die unechte Bohrung erzeugt eine Durchlochung der Äxte, die aber nicht durch Bohren im eigentlichen Sinne - dem Durchlochen durch drehende Bewegungen - entsteht. Sie wird durch das Picken mit einem spitzen Stein vorbereitet und durch Schleifen mittels eines harten, schmalen Gegenstandes sowie Sand und Wasser ausgearbeitet. Der letzte Durchbruch wird dann mehr schleifend als bohrend hergestellt. Dies kann auch von beiden Seiten her erfolgen, wobei durch beidseitiges Picken sanduhrförmige Vertiefungen erzeugt werden. Beispiele für die unechte Bohrung sind die zwei rechten Exemplare auf dem Bild. Es handelt sich hierbei um Axtkopffunde mit ovalem Schaftloch aus der mittleren Jungsteinzeit (ca. 3100 – 2500 v. Chr.), bei denen die Bohrung unvollendet blieb.
Bei der echten Bohrung wird zwischen Voll- und Hohlbohrung unterschieden. Die Vollbohrung erfolgt mit einem schnell rotierenden Bohrkopf aus hartem Material, eventuell mit Hilfe von Sand als Schmirgel. Die aus Pilgram, Lkr. Oder-Spree stammende Axt in der Bildmitte ist ein Beispiel hierfür. Sie datiert in die Späte Jungsteinzeit (ca. 2700 – 2300 v. Chr.) und weist beidseitig begonnene Vollbohrungen auf.
Die Technik der Hohlbohrung ist weniger zeitaufwendig als die Vollbohrung. Bei ihr werden hohles Holz, Hohlknochen oder Schilf als schnell rotierende Bohrhilfe (schnurgetriebener Bohrer) verwendet, wobei die eigentliche Schleifarbeit durch Quarzsand erfolgt, der um den Bohrer angehäuft wird. Meist wird von zwei Seiten gebohrt. Bei einseitigem Bohren entsteht ein konischer Zapfen (Bohrkern), der herausfällt. Der Bohrkern ganz links auf dem Bild ist ein Fund aus Seelübbe, Lkr. Uckermark. Die „Donauländische Axt“ neben dem Bohrkern weist sowohl eine Vollbohrung und als kreisförmige Eintiefung eine begonnene Durchlochung auf. Sie wurde in Dahlewitz, Lkr. Teltow-Fläming gefunden und ist vermutlich der Rössener Kultur (ca. 4700 – 4300 v. Chr.) zuzuweisen.
Der Vorteil des Hohlbohrers gegenüber dem Vollbohrer bestand darin, dass der hölzerne Bohrzylinder, bei besserer Führung, schneller sich einschnitt und dass die Bohrung gleichmäßiger ausfiel.
Text: BLDAM


Ziegenlederschuh

Durchbrochener Halbschuh, Leder, Eberswalde, Lkr. Barnim

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Modische Kleidung spielte im Mittelalter – wie auch in früheren Zeiten – eine besondere Rolle. Mit Kleidung grenzen wir uns noch heute von anderen Menschen ab, gleichzeitig zeigen wir Gruppenzugehörigkeiten. Was wir anziehen, macht einen Teil unserer Identität aus. Für das Mittelalter gibt es zahlreiche Quellen, in denen sich dieser Umgang mit Bekleidung abzeichnet. So gab es Kleidervorschriften, besonders für die Bäuerinnen und Bauern, die keine bunte Kleidung tragen sollten. Zum Teil war Kleidung auch stigmatisierend. So schrieben die Kleiderordnungen einiger Städte vor, dass Prostituierte ein gelbes Kleidungselement als Erkennungszeichen tragen sollten.
Ein gelber Ring auf der Oberkleidung war seit dem 13. Jahrhundert in vielen Regionen für die Jüdinnen und Juden verpflichtend.
Mit Kleiderordnungen versuchten vor allem Städte, den überbordenden Luxus der reichen Kaufleute, Händler und Händlerinnen einzuschränken, mit dem diese ihren gehobenen Status zeigten. Die Kirche unterstützte diese Bestrebungen von jeher, galten doch Hoffart und Luxus als Sünden. Kirchliche Morallehrer prangerten den Kleiderluxus an – man sollte sich züchtig und bescheiden kleiden. Auch auf bildlichen Darstellungen zeigt sich die Luxuskritik. Die bunten Glasfenster der Marienkirche in Frankfurt an der Oder aus der Zeit um 1370 kritisieren auf einer Darstellung der zwei Gewalten – Papst und Kaiser – letzteren durch die dargestellte Kleidung. Der Rock ist viel zu kurz, die Beinlinge sind gelb, der Kaiser trägt eine prächtige Krone und feine, durchbrochene Schuhe. Ähnliche Schuhe zeigt auf dem als „Antichristfenster“ bekannten Chorscheitelfenster auch der Antichrist, der als Personifizierung des Teufels mit der Errichtung einer Schreckensherrschaft das Ende der Zeiten einläutet – Mode als Zeichen des Satans.
Die Menschen des Mittelalters ließen sich davon aber nicht abhalten, reiche und modische Kleidung zu tragen, sofern sie es sich leisten konnten. Das zeichenbehaftete Verhalten des mittelalterlichen Menschen erforderte es geradezu, den eigenen Status mit der Kleidung zu demonstrieren. So tat es offenbar auch ein wohlhabender Bürger der Stadt Eberswalde im frühen 14. Jahrhundert. Er hatte feine, aus Ziegenleder und – ähnlich den auf den Frankfurter Fenstern dargestellten Schuhen – durchbrochen gearbeitete Fußbekleidung in seinem Besitz. Im Jahr 2004 war der Schuh bei Ausgrabungen auf dem „Pavillonplatz“, wo sich heute das Paul-Wunderlich-Haus erhebt, zutage gekommen. Für Gänge durch die Stadt, auf zwar meist mit Holzbohlen befestigten, aber doch oft feuchten und schmutzigen Straßen, waren derartige Schuhe kaum geeignet. Beim Empfang wichtiger Gäste im Haus machte sich das feine Schuhwerk auf einem bunten Beinling, der den Fuß wie ein Strumpf umkleidete, sicher ausgezeichnet und demonstrierte den Reichtum des Trägers oder der Trägerin.
Text: Dr. Christof Krauskopf, BLDAM


Jungsteinzeitliche Beilklingen – Die Verwendung von "Schuhleistenkeilen"

Beilklingen, Felsgestein, ca. ca. 5300 bis 4900 v. Chr., Pessin, Lkr. Havelland, Klockow und Prenzlau, beide Lkr. Uckermark

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Die hier vorgestellten jungsteinzeitlichen Beilklingen werden auch „Schuhleistenkeile“ genannt. Es handelt sich hierbei um geschliffene Werkzeuge aus Felsgestein. Sie gehören zu den am häufigsten gefundenen Felsgesteinartefakten der Jungsteinzeit und sind typisch für die Linienbandkeramische Kultur (ca. 5300 bis 4900 v. Chr.). Die abgebildeten Beilklingen wurden in Pessin, Lkr. Havelland, Klockow und Prenzlau, beide Lkr. Uckermark gefunden. Ein Exemplar stammt von einem unbekannten Fundort des Landes Brandenburg. Die Holzschäftung ist eine Rekonstruktion, um das Aussehen eines kompletten Werkzeuges dem Besucher veranschaulichen zu können.
Die Art und Weise der ursprünglichen Schäftung als Querbeil (Dechsel) war sehr lange unbekannt, da sie sich aufgrund ihres hohen Alters und den für organisches Material ungünstigen Bodenbedingungen nicht erhalten hat. Steinerne Bestandteile der einstigen Werkzeuge werden gefunden, aber der hölzerne Schaft eines Steinbeils zum Beispiel ist meist verrottet. Nachbildungen erfolgten deshalb oft nach ethnographischen Vergleichen aus Ozeanien und antiker Vorbilder z. B. aus Ägypten. Mittlerweile sind originale Beilklingenschäftungen bekannt aus Sachsen, die in jungsteinzeitlichen Brunnen in den 1990er Jahren und Anfang des 21. Jahrhunderts gefunden wurden.
Heute wissen wir dank der experimentellen Archäologie, dass Dechselklingen exklusiv zur Holzbearbeitung dienten. 2011 fand ein Experiment statt, dass sich unter anderem die Frage stellte, wie man bandkeramische Schuhleistenkeile verwendete. Es wurden Fäll- und Holzbearbeitungstechniken ausprobiert. Ziel des Experiments war die Analyse von Abnutzungsspuren an den Beilklingen, sowie der Bearbeitungsspuren an den Fällkerben des Baumes und den Holzwerkstücken im Vergleich zu entsprechenden archäologischen Funden.
Die Größe der Dechselklingen schwankt zwischen sehr kleinen Exemplaren von 10 cm, die zur Feinbearbeitung, etwa für Hohlgefäße oder zur Herstellung von Holzverbindungen dienten. An den Bohlen des Bandkeramischen Brunnens von Altscherbitz sind vielfach die Hiebspuren durch Dechsel erkennbar. Es wurden allerdings auch Exemplare von bis zu 40 cm Länge gefunden. Diese erscheinen ergonomisch als Werkzeug ungeeignet. Sie werden, analog zu völkerkundlichen Vorbildern als Prestigeobjekte interpretiert. Die frühere Deutung als Hacken oder Pflugschar sind heute widerlegt.
Text: Sandra Lehninger, BLDAM

Artikel auf facebook nachlesen


Mittelsteinzeitliche Netzfunde von Friesack, Lkr. Havelland

Knotenloses Netz, Weidenbast, um 8000 v. Chr., Friesack, Lkr. Havelland

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Mittelsteinzeitliche Netzfunde von Friesack, Lkr. Havelland In den wasserreichen Gebieten Brandenburgs können sich erstmals Gegenstände aus vergänglichem Material in größerer Zahl erhalten. Sie lassen erahnen, wie vielfältig das Hab und Gut der mittelsteinzeitlichen Jäger und Sammler einst war.
Das Rhinluch ist während der Mittelsteinzeit durch sandige Erhebungen innerhalb einer Seen-, Rinnen- und Moorlandschaft geprägt. Dies bot beste Voraussetzungen für eine umfangreiche Pflanzen- und Tierwelt. Die Jagd- und Sammelbedingungen waren so gut, dass die Menschen immer wiederkehrten. Für den Zeitraum zwischen etwa 9000 und 6000 v. Chr. können mindestens 65 Besiedlungsphasen rekonstruiert werden. Im späten Frühjahr suchten die Menschen dieses Gebiet immer wieder auf.
Aufgrund seiner hervorragenden Erhaltungsbedingungen konnten bei den Ausgrabungen in Friesack zwischen 1977 bis 1989 neben Steinartefakten auch Funde aus organischen Materialien wie Tierknochen, Geweihmaterial, Holz und Rinde entdeckt und geborgen werden. Des Weiteren auch die bislang größte Anzahl an Baumbastfragmenten von Schnüren, Seilen und den ältesten Netzfunden Europas.
Aus den Schnüren stellten die Menschen unter anderem zwei unterschiedliche Arten von Netzen her: geknotete und knotenlose Netze mit ineinander verstrickten Maschen. 10 bis 20 cm lange, schmale Hölzer mit zwei gegenständigen Kerben erleichtern das Stricken und Knoten der Netze. Die auf solche Wickelbrettchen aufgewickelte Schnur konnte leicht durch die Maschen geschoben werden.
Das Zwirnen von Schnur und Knoten von Netzen ist sehr arbeitsintensiv. Der experimentell archäologisch arbeitende Wulf Hein hat zur Herstellung eines nur 0,25 m² großen Netzes über 20 Arbeitsstunden benötigt. Das abgebildete Netz konnte sich im Grundwasserbereich über 10 000 Jahre hinweg erhalten. Es besteht aus gedrehtem Weidenbastgarn und ist knotenlos mit einer Schlaufenweite von 1,5 – 2 cm gefertigt. Aufgrund der fehlenden Knoten können sich die Schlaufen verschieben und Fische hindurchschlüpfen; daher diente es vermutlich als Tragenetz.
Text: Sandra Lehninger, BLDAM


Älteste Keramik aus Jüterbog

verzierter Kumpf, Keramik, um 5200 v.Chr., Jüterbog, Lkr. Teltow-Fläming

Foto: Fritz Fabert, BLDAM

In der Jungsteinzeit gingen die Menschen allmählich vom Jagen und Sammeln zur Sesshaftigkeit mit Ackerbau und Viehzucht über. In Brandenburg lebten um etwa 5300 v.Chr. die ersten Ackerbauern. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Keramikfunde im Land Brandenburg. Sie lassen sich auf etwa 5200 v.Chr. datieren.
Die Menschen verzierten ihre Keramik mit Linienbändern, was der ersten bäuerlichen Kultur Brandenburgs auch den Namen gab. Das rundbodige und henkellose Gefäß, als Kumpf bezeichnet, aus Jüterbog im Lkr. Teltow-Fläming, spiegelt diese Zeit der ersten sesshaften Ansiedlungen wider.
Text: BLDAM


Schädel mit Charonspfennig

Schädel mit Charonspfennig, Knochen und Silber, 12. Jhd., Fahrland, Stadt Potsdam

Foto: Fritz Fabert, BLDAM

Je nach Bestattungsform bleibt von slawischen Gräbern wenig bis nichts übrig, was „dinglichen“ Charakter hat. In der frühen Slawenzeit findet man in Brandgräbern bestenfalls eine Urne mit Leichenbrand und verbrannten Resten persönlicher Dinge, wie Schmuck und Messer. Ab dem 10. Jahrhundert werden zunehmend Körpergräber angelegt. Auch sie enthalten neben den Skeletten keine anderen Beigaben, nur besser erhaltene, da sie unverbrannt sind. Gefäße sind nun als Behälter einer Speise- oder Trankbeigabe zu deuten – teils für die Bestattung hergestellt, teils dem Alltag entstammend. Schläfenringe Perlen und Messer gelangen mit den Toten und ihrer Kleidung ins Grab. Münzen finden sich mitunter im oder auf dem Mund. Diese Beigabe hat sich – als ursprünglich heidnische Sitte – von der Antike über Byzanz (heute: Istanbul) und Großmähren oder über den Ostseeraum und den fränkischen Westen zu den Westslawen hin verbreitet.
Die Sitte, den Verstorbenen einen Obolus für den Weg in das Reich der Toten mitzugeben, gründet im griechischen Volksglauben. Demnach ist Charon der Fährmann, der die Toten gegen Entrichtung eines Wegegeldes über den Totenfluss Acheron (weitere Flüsse wie Lethe und auch Styx werden oft genannt) an das Tor des Hades (Gott der Unterwelt) geleitet.
Text: BLDAM


Bunte Glasfingerringe

Fingerringe, Glas, Stadt Brandenburg und Lenzen, Lkr. Prignitz

Foto: Detlef Sommer, BLDAM

Zahlreiche Funde, in langjährigen Grabungen auf der Dominsel Brandenburg geborgen, belegen Handwerk und Gewerbe, Handel und Austausch sowie gehobene Lebensart und Kultstätten. Diese Schmuck-Spielart war offensichtlich eine Spezialität der brandenburgischen Handwerker. Sie beherrschten vermutlich auch die Produktion der Glasrohmasse, mussten also kein Glas importieren und konnten ihrerseits die fertigen Ringe exportieren.
Die hier gezeigten farbenfrohen Fingerringe aus der Slawenzeit, gefertigt von einem gut spezialisierten Handwerker, stammen aus der Stadt Brandenburg an der Havel und aus Lenzen, im Lkr. Prignitz.
Text: BLDAM


Goldarmband von Nassenheide

Armband, Gold, Nassenheide, Lkr. Oberhavel

Foto: Detlef Sommer, BLDAM

Das 44 g schwere Armband wurde 1981 bei einer Stubbenrodung gefunden und datiert in die Mittlere Bronzezeit. Das in Treibtechnik gefertigte Schmuckstück besteht aus einem etwa 40 mm breiten Streifen Goldblech, der sich nach den Enden hin bogenförmig verjüngt. An beiden Enden befinden sich je zwei symmetrisch angeordnete Spiralen. Der bandförmige Körper ist durch 13 waagerechte Riefen verziert. Zudem wurden in die Winkel zwischen den Spiralansätzen mit einem spitzen Instrument Löcher gestoßen, sodass kleine Ösen entstanden sind. Durch die beiden Ösen wurde wahrscheinlich eine Schnur gezogen, die während des Tragens das Aufbiegen des Armbandes verhindern und so einem Verlust des wertvollen Schmuckstückes vorbeugen sollte.
Goldene Armbänder mit doppelten Endspiralen sind im Gebiet zwischen Oder unterer Oder und Elbe verbreitet. Sie gelangten aus Südosteuropa im Tausch gegen Bernstein in die Region. Der Fundort Nassenheide liegt in einem Gebiet binnenländischer Bernsteinvorkommen. Möglicherweise waren bereits während der Bronzezeit die Bernsteinlagerstätten in Zehdenick bekannt, die Anfang des 19. Jahrhunderts ausgebaut wurden.
Text: BLDAM


Eine Gürtelschnalle aus Limoges in Brandenburg an der Havel

Gürtelschnalle Limoger Typ, vergoldete Bronze und Emaille, 12./13. Jhd.,
Stadt Brandenburg (Original und Nachbildung)

Foto: Michael Schneider, BLDAM

1147 ruft Bernhard von Clairvaux zum zweiten Kreuzzug nach Jerusalem gegen die „Heiden“ auf. Das ist dem sächsisch-deutschen Landesherrn willkommener Anlass, selbst einen Kreuzzug, wie schon 1108 im Wendenkreuzzug, gegen die östlichen Nachbarn zu führen. Unter Führung Albrechts des Bären, Heinrich des Löwen und anderer Herren zieht man quer durch Brandenburg gen Osten. In diesem historischen Kontext ist folgender Fund zu betrachten, der im Jahre 1975 in der Mühlentorstraße der Brandenburger Altstadt bei der Verlegung einer Gasleitung ans Tageslicht gebracht wurde. Ein arabischer Kamelreiter mit Schild und Krummsäbel verziert als Emaille-Einlage die Gürtelschnalle. Sie stammt wahrscheinlich aus den Werkstätten des südfranzösischen Goldschmiedezentrums Limoges oder zumindest aus einer Werkstatt, die sich dieser technischen und stilistischen Tradition verpflichtet fühlte und belegt neben Fernverbindungen auch Ideologie und Gedankengut ritterlicher Kreise der Kreuzzugszeit. Erzeugnisse aus Limoges fanden nicht nur in Frankreich Absatz, sondern gelangten im Verlauf der Kreuzzüge bis nach Palästina. Eng verbunden sind die Einflüsse der byzantinischen, islamischen und mozarabischen Kunst auf die spanische und französische Romanik und die Beziehungen der Goldschmiedewerkstätten von Limoges zu Spanien.
Das Dekor der Brandenburger Gürtelschnalle zeigt in seinen Details die Einflüsse aus dem islamischen und spanischen Raum. Aus der weiten Verbreitung lässt sich eine Produktion für großräumigen Absatz und Vertrieb durch Händler schließen, die an bestimmten Markttagen in den Städten zugelassen waren. Wie die wertvolle Gürtelschnalle nach Brandenburg gelangte ist schwer zu beantworten.
Sie kann als Handelsobjekt in den hiesigen Raum gebracht oder von einem Durchreisenden auf der Handelsstraße Magdeburg – Brandenburg – Lebus – Poznan´- Kiew verloren worden sein. Sie könnte aber auch von einem märkischen Teilnehmer der Kreuzzüge erworben und heimgebracht worden sein.
Text: BLDAM


„Es ist nicht alles Gold …” – Ein Silbermünzschatzfund aus Plänitz

Münzschatzfund, Silber, Plänitz, Lkr. Ostprignitz-Ruppin
Foto: Thomas Mattern, BLDAM

Verstreut auf einer Fläche von 100 m² wurde 2004 auf einem Acker bei Plänitz ein Schatz von 601 Münzen und einem Medaillon entdeckt. Vermutlich wurde der Schatz in einem Leinbeutel inmitten einer sich dort befindenden slawischen Siedlung im anstehenden Sandboden vergraben. Sein Silbergewicht beträgt 650g und er besteht fast ausschließlich aus „Sachsenpfennigen“ der Mitte des 11. Jahrhunderts. Der Schatz beinhaltet im Wesentlichen zwei Typen. Der erste zeigt auf der Vorderseite ein Kreuz im Kugelkreis, auf der Rückseite ein Keilkreuz mit Punkten und Winkeln und ist vermutlich ab 1060 in der Mark Meißen entstanden. Der zweite Typ hat ein Kreuz mit Kugeln und Ringeln in den Winkeln, auf der Rückseite ein Keilkreuz ohne Beizeichen. Solche Pfennige prägte man 1065 im mittleren Saale-Gebiet, möglicherweise in Naumburg. Wenige andere Münzen stammen aus Niederlothringen und Sachsen.
Eine Besonderheit stellt das 9 Gramm schwere silberne Medaillon dar, das deutliche Tragespuren aufweist. Es ist mit eingravierten Darstellungen verziert, die in einzigartiger Kombination byzantinische und slawische, nordische und deutsche Motive zusammenführen. Es muss daher aus einem „Überschneidungsbereich“ dieser Kulturen stammen, wo alle diese Bildtraditionen bekannt waren: dem Kiewer Raum.
Der Fundort Plänitz ordnet sich mit seiner slawischen Siedlung in das charakteristische frühmittelalterliche Siedlungsbild der Gegend ein, die seit dem 7./8. Jh. durchgehend bewirtschaftet wurde. Er liegt im 948 erstmals erwähnten slawischen Stammesgebiet der Dossanen, deren Verwaltungs- und Handelszentren die stark befestigten Burganlagen in Wusterhausen und Kyritz waren. Der Fund dokumentiert im Zusammenhang mit anderen Münzschätzen aus dem westlichen Brandenburg erneut, dass im 11. Jahrhundert nicht nur Zentralorte an Handel und Austausch beteiligt waren, sondern auch die kleineren offenen Siedlungen.
Text: BLDAM


Wildpferdeknochen und Feuersteingerät aus Jänschwalde

Pferderippe und Schaber, 130.000 bis 128.000 v. Chr., Braunkohletagebau Jänschwalde, Lkr. Spree-Neiße

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Eine Jagd- und Zerlegestation des Neandertalers. Wenn die mächtigen Schaufelradbagger der Tagebaue in die Erde eingreifen, treten nicht selten erstaunliche archäologische Funde und Befunde zutage. So geschehen im Jahr 2013 im Tagebau Jänschwalde im Niederlausitzer Braunkohlerevier.
Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurden in einer Tiefe von rund 20 m Erdschichten freigelegt und untersucht, die zwischen 130 000 und 128 000 Jahre alt sind. In dieser Zeit endete die vorletzte, so genannte Saale-Eiszeit und das Klima erwärmte sich maßgeblich.
Zahlreiche botanische Makroreste sowie Überreste von Säugetieren und Fischen konnten geborgen werden. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren hierbei Knochen eines Wildpferdes, die bei genauerer Untersuchung eine kleine Sensation erbrachten: Schnittmarken an Rippen und Schlagspuren an Halswirbeln belegen, dass das Tier vor Ort von Menschen zerteilt worden sein muss. Auch die Suche nach den Werkzeugen der Jäger stand unter einem guten Stern. Bei den Pferdeknochen fand sich unter anderem ein Schaber aus Feuerstein (siehe Foto). Gebrauchsspurenanalysen an den mittelpaläolithischen Steingeräten ergaben, dass die gefundenen Artefakte einst mit Fleisch und Knochen in Berührung gekommen waren.
Der Fundplatz Jänschwalde erbrachte somit die ältesten Zeugnisse menschlichen Lebens im gesamten Bundesland Brandenburg. Die Artefakte werden dem Homo neanderthalensis zugesprochen.
Die ebenfalls vor Ort durchgeführten geologischen und paläonthologischen Untersuchungen ermittelten, dass der Fundplatz einst in einer flachen Niederung lag, die von Gewässern durchzogen war. Die Vegetation hatte sich dem noch kühlen Klima angepasst und bestand aus Sanddorn, Weiden und Birken sowie verschiedenen Kräutern, Gräsern und Moosen. In dieser Landschaft lebten Neandertaler, die hier Wildpferden aber auch Steppenbisons und Elchen nachstellten. An Jagd- und Zerlegestätten wie der in Jänschwalde wurde die tierische Beute aufgebrochen und zerteilt.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Ein Geweihgerät aus Wustermark

Beilklinge mit Zickzackverzierung, Elchgeweih, 10 500 bis 9 300 v. Chr., Wustermark, Lkr. Havelland

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Der Fundplatz „Wustermark 22“ im Havelland ist in Fachkreisen bestens bekannt. Das Areal liegt auf einem halbinselartigen Geländesporn, in dessen unmittelbarer Nähe der Havel-Kanal verläuft. Ein verlandeter Rinnensee lag einst am Rande des heutigen Kanals.
Im Zuge mehrwöchiger Grabungsarbeiten im Jahr 1999 konnten hier Siedlungsspuren verschiedener Zeitabschnitte freigelegt werden. Nach dem Abtragen bis zu 1,70 m mächtiger Torfablagerungen stießen die Archäologen schließlich auf den ältesten Fundhorizont. Die hier geborgenen Artefakte aus Knochen, Elfenbein, Geweih und Feuerstein sowie von Menschenhand zerkleinerten Wildtierknochen wiesen die Fundschicht in den Übergang von der Altsteinzeit zur Mittleren Steinzeit vor etwa 12 500 bis 11 300 Jahren.
Knochenspitzen und Angelhaken deuten darauf hin, dass vor Ort gejagt und gefischt wurde. Einen Überraschungsfund stellte jedoch ein Gerät aus Elchgeweih dar. Das etwa 20 cm lange Stück läuft in eine Klinge aus, während das Ende des Geräts leider nicht erhalten ist. Die Oberfläche des Artefakts wurde sorgfältig geglättet.
Aufgrund der fehlenden Endgestaltung muss offen bleiben, ob das Gerät gelocht oder geschäftet war oder ob es mit der Hand geführt wurde. Somit bleibt auch die Zuordnung des Stückes verschwommen: Es könnte sich um eine Hacke oder ein Beil handeln, aber auch ein bisher nicht bekannter Gerätetyp ließe sich vermuten.
Auffällig ist die feine Ritzverzierung aus gebündelten Zickzacklinien, die auf der Höhe der Klinge angebracht ist. Eine weitere, kaum noch erkennbare Verzierung findet sich nahe der Bruchstelle im Nacken. Über die Bedeutung der Zickzacklinien und den Grund ihres Anbringens lässt sich nur spekulieren. Ethnologische Vergleiche zeigen, dass Verzierungen meist mehr als reine Dekoration sind.
Nicht selten wird Ornamenten magische Wirkung zugesprochen, die ein Gerät z. B. wirksamer machen sollen. Auch symbolhaft verschlüsselte Botschaften sowie die Zählung von Dingen oder Ereignissen können sich hinter Verzierungen verbergen. Aus archäologischer Sicht lässt sich feststellen, dass die Ritzlinien bereits den geometrischen Mustern der Mittleren Steinzeit ähneln und eher untypisch für altsteinzeitliche Gruppen sind. Generell ist „Kunst am Knochen“ für die ausgehende Altsteinzeit in Brandenburg selten belegt. Möglicherweise hatten die umherstreifenden Jäger und Sammler schlichtweg nicht die Zeit, sich derartigen Tätigkeiten zu widmen.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Ein reich verzierter Lochstab aus Wagenitz

verzierter Lochstab, Hirschgeweih, Wagenitz, Lkr. Havelland

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Im Jahr 1974 barg man im Zuge von Baggerarbeiten bei Wagenitz im Havelland ein mit Verzierungen bedecktes Geweihbruchstück. Während die Arbeiten weitergeführt wurden, geriet der Fund zunächst in Vergessenheit. Erst nach mehreren Monaten übergab man ihn an das damalige Museum für Ur- und Frühgeschichte in Potsdam.
Die Experten erkannten sofort die Bedeutung des Stückes: Es handelte sich um das Fragment eines reich verzierten, gebrochenen Lochstabes aus Rothirschgeweih. Ein seltener, wenn auch mehrfach in Brandenburg belegter Fundgegenstand. Zeitlich gehört das 27 cm lange und etwa 6 cm breite Artefakt in die Mittlere Steinzeit (9000 bis etwa 5000 v. Chr.).
Der gut erhaltene Lochstab wurde aus dem mittleren Abschnitt einer linken Geweihstange gefertigt. Abzweigende Sprossen und die so genannte Geweihrose hatte man abgetrennt und die gesamte Geweihoberfläche sorgfältig bearbeitet und geglättet. Namensgebend ist die oval-runde Durchlochung des Stücks, die durch Einschnitte erzielt wurde.
Neun eingeritzte Zickzack-Linien bedecken die Staboberfläche. Auch wenn das Muster auf den ersten Blick einheitlich wirkt, so sind die Linien teilweise unterschiedlich ausgeführt und nur bedingt symmetrisch. Man erkennt Linien, die rechtwinklig aneinanderstoßen ebenso wie Zickzacklinien, die von angesetzten Kerben gesäumt werden. Auch ein Muster, das nur aus einigen Kerbschnitten besteht, gehört zum Dekor. Das Anbringen der Verzierung erfolgte mit scharfen Werkzeugen aus Feuerstein.
Das tief eingekerbte Muster war möglicherweise mit einer harzigen Masse ausgefüllt, wie es von anderen Lochstäben aus Norddeutschland und Südskandinavien überliefert ist. Das Hervorheben der Gravuren mit einer Harz- oder Graphitmasse sollte das Dekor sicher betonen.
Derartige Lochstäbe fertigten nicht nur die mesolithischen Jäger, Sammler und Fischer. Bereits bei den Rentierjägern der jüngeren Altsteinzeit waren durchbohrte Geweihgeräte bekannt.
Die einstige Funktion dieser Artefakte ist nicht endgültig geklärt. Dementsprechend zahlreich und unterschiedlich sind die Deutungen – sie reichen von Kultstab oder Zepter bis zum profanen Zelthering. Besonders aufschlussreich sind ethnologische Beobachtungen bei indianischen Ureinwohnern und den Inuit Nordamerikas. Hier werden ähnliche Geräte zum Geradebiegen von Pfeilschäften und Geschossspitzen verwendet. Ein ähnlicher Einsatz wäre für die Lochstäbe der europäischen Steinzeit denkbar, auch wenn andere Funktionen nicht ausgeschlossen werden können und sollen.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Zwei goldene Berlocken der älteren Kaiserzeit

Anhänger, (Berlocken), Gold, Kemnitz, Lkr. Potsdam-Mittelmark und Rauschendorf, Lkr. Oberhavel

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Friedhöfe der Römischen Kaiserzeit wurden meist über viele Generationen genutzt. So konnten die Gräberfelder des 1. bis 4. Jh. n. Chr. zuweilen mehrere Hundert Bestattungen umfassen. In Kemnitz und Rauschendorf wurden bei Ausgrabungen in den 1950er und 1960er Jahren zwei derartige Bestattungsplätze aus dem 1. bis 2. Jahrhundert n. Chr. freigelegt und untersucht.
Als typische Beigaben von Mann und Frau fanden sich Trachtenelemente wie Fibeln und metallene Gürtelbestandteile. Diese lagen mit dem Leichenbrand der Verstorbenen in einer Urne bzw. in der Grabgrube. Als ausgesprochen seltene Funde traten auf beiden Gräberfeldern so genannte Berlocken zutage.
Hierbei handelt es sich um kleine, verzierte Goldanhänger, die im ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert von Böhmen bis Südskandinavien Verbreitung fanden.
Aus einer Schmuckdeponierung ohne Bestattung stammt der Berlock vom Gräberfeld in Kemnitz (rechts im Bild). Den heute 2,3 cm langen, doppelkonischen Anhänger bedeckt eine aufgelötete Golddrahtverzierung. Die paarig angeordneten, gedrehten Drahtbänder erzeugen den Eindruck eines Flechtbandes. Sie winden sich um das Oberteil und laufen in Streifen das Unterteil hinab. Den Abschluss bildete ursprünglich ein aufgelöteter Granulationsbesatz.
Der Berlock vom Rauschendorfer Friedhof ist von birnenförmiger Gestalt. Dieses Artefakt misst 2,8 cm und zeigt eine ähnliche Golddrahtverzierung. Das untere Ende des Berlock trägt eine Traubengranulation, die aus verschieden großen Goldkugeln besteht. Die Aufhängung des Stücks ist nicht erhalten, doch erkennen wir am Ösenhals noch angelötete Goldkügelchen.
Berlocken sind Elemente der kaiserzeitlichen Frauentracht. In nahezu allen bekannten Fällen wurden sie als Einzelstücke aus Gräbern geborgen. Funde von erhaltenen Ketten mit Berlock-Anhänger belegen das Tragen als Halsschmuck.
Die Goldberlocken sind ein eindrucksvolles Zeugnis germanischer Feinschmiedekunst
Text: Fatima Wollgast, BLDAM

Artikel auf facebook nachlesen


Ein slawischer Schild aus Lenzen

Schild, Holz, Lenzen, Lkr. Prignitz

Foto. AtelierThomasBartel, BLDAM

Das Gebiet um Lenzen hat eine bewegte Geschichte. An der Grenze zwischen fränkischem/ostfränkischem Reich und slawischem Siedlungsgebiet gelegen, taucht es ab dem 9. Jahrhundert in den Schriftquellen auf. Die Auseinandersetzungen zwischen Slawen östlich der Elbe und ihren westlichen Nachbarn waren zahlreich. So verwundert es nicht, dass bei Lenzen, im einstigen Stammesgebiet der Linonen, mehrere Wehranlagen nachgewiesen wurden.
2001-2002 fanden in Lenzen Ausgrabungen statt, welche Teile der slawischen Befestigungen auf dem Burgberg erfassten. Dendrochronologische Ergebnisse belegen, dass hier um 950 eine erste Burg erbaut wurde. Ihre Existenz war wohl aufgrund von Überschwemmungen von kurzer Dauer. Schon um 980 entstand ein neuer Ringwall in Kastenbauweise. Dieser fiel Ende des 10. Jahrhunderts einem Feuer zum Opfer.
Hierauf folgte die längste und letzte Burgphase in slawischer Zeit. In den Schriftquellen begegnet uns Lenzen nun als Leontium bzw. Lenzin. Hier soll der obodritische Fürst Gottschalk ein Nonnenkloster errichtet und 1066 bei einem Aufstand der Linonen den Tod gefunden haben. Interessanterweise stammen die reichsten Funde der Burg aus der Zeit nach diesem Ereignis. Ein Reitersporn, Schmuck aus Silber, Glas und Bernstein sowie Knochen von Jagdwild werden auf die Anwesenheit von Oberschicht und Krieger zurückgeführt.
Herausragend ist der Fund eines fragmentierten Kampfschildes aus Erlenholz. Das ovale, aus mehreren verleimten Holzlagen gefertigte Stück hat eine Länge von 66 cm und eine Breite von 71 cm. Umrahmt wird der Schild von einer Einfassung aus Bastgeflecht. Sechs Kupfernieten mit Eisenköpfen und zwei quadratische Löcher dürften die Reste der einstigen Halterung sein. Eine metallene Schildfessel oder ein Schildbuckel fanden sich nicht. Auf der Außenseite ließen sich jedoch Spuren der einstigen roten Bemalung nachweisen.
So sehr die feuchten Bodenverhältnisse den Lenzener Burgbewohnern zuweilen zu schaffen machten, wir verdanken ihnen die gute Erhaltung dieses Schildes und eine Ahnung von den wehrhaften und wohlfeilen Lebensverhältnissen der slawischen Oberschicht.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Zwei bandkeramische Kümpfe aus Zollchow

Kümpfe, Keramik, ca. 5300 bis 4900 v. Chr., Zolchow, Lkr. Uckermark
Leihgabe Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege Schwerin
Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Die Uckermark ist heute ein beliebtes Reiseziel für gestresste Großstädter und Naturliebhaber. Doch bereits vor etwa 7000 Jahren erfreute sich diese Region regen Zuspruchs. Ihre fruchtbaren Böden machten sie ausgesprochen attraktiv für die ersten sesshaften Bauern, die um etwa 5500 bis 5000 v. Chr. einwanderten und kleine Siedlungen gründeten.
Das schleichende Ende der Zeitalter der Jäger und Sammler und der Beginn der agrarisch geprägten Jungsteinzeit war hiermit eingeläutet. Der Anbau von Getreiden und Hülsenfrüchten, das Halten und Züchten von Tieren, das Errichten von Häusern sowie das Weben von Textilien gehören zu den Neuerungen der Jungsteinzeit. Doch auch das Töpfern zählt zu den Innovationen dieser Epoche.
Die beiden abgebildeten Gefäße stammen aus einer Siedlung jener Landwirtschaftspioniere. Es handelt sich um Kümpfe der so genannten Linienbandkeramik. Dies ist der Name der ersten jungsteinzeitlichen Kultur, die weite Teile Europas erreichte. Namensgebend für diese archäologische Kultur ist eine aus Wellenbändern und geschwungenen Linien bestehende Verzierung der Gefäße.
Beide restaurierten Kümpfe stammen aus Gruben, die zu einer bandkeramischen Siedlung im uckermärkischen Zollchow gehören. Aus diesen förderten die Ausgräber zum Teil große Mengen an Abfall. Neben Scherben von Gefäßen verschiedener Qualität fanden sich unter anderem Tierknochen, Reibsteine sowie Objekte und Abschläge aus Feuerstein.
Die Keramiken weckten jedoch das besondere Interesse der Fachleute. Form und Verzierung der Gefäße zeigen deutliche Parallelen zu Funden aus Ostmitteleuropa. Möglicherweise kamen die ersten Ackerbauern und Viehzüchter der Uckermark von hierher.
Die zum Teil sehr dünnwandigen und fein gearbeiteten Gefäße bedeckten Bogenbänder, so genannte Notenkopfmuster und für die Uckermark typische dreieckige Einstiche. An einzelnen Gefäßen hafteten noch kalkhaltige Farbreste, die auf eine einstige Bemalung hinweisen. In wenigen Fällen fanden sich auch Spuren von Pech an den Scherben. Das Material diente vermutlich als Untergrund für aufgeklebte Verzierungselemente.
Die Hersteller dieser Keramik waren demnach geübte Töpfer und regelrechte Ästheten.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Ein Ulfberht-Schwert aus Alt Galow

Schwert, Eisen, Alt-Galow, Lkr. Uckermark

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Im Jahr 1992 wurden in der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße umfangreiche Baggerarbeiten vorgenommen.
Die Überraschung war groß, als der Schürfeimer des Baggers nicht nur Wasser und Schwemmsand, sondern ein außerordentlich gut erhaltenes, etwa 90,3 cm langes Eisenschwert zu Tage förderte.
Das Erstaunen nahm weiter zu, als bei fachkundiger Begutachtung des Fundstückes an beiden Klingenseiten Buchstaben und Zeichen sichtbar wurden. Ein 20,5 cm langer, in Eiseneinlage ausgeführter Schriftzug lautet + VLFBERH+T. Auf der anderen Klingenseite lassen sich schwach Striche und ein Rhombenmotiv erkennen.
Während die Form des Schwertes dem gebräuchlichen, frühmittelalterlichen Schwerttyp X (nach Petersen) zugeordnet werden kann, lässt die Inschrift Archäologenherzen höher schlagen: Es handelt sich bei dem Fund aus dem Altarm der Oder um ein echtes Ulfberht-Schwert.
Offenbar standen ein gewisser Ulfberht und seine Werkstatt für eine langlebige Produktion hochwertiger Schwertklingen, die man getrost als mittelalterlichen Exportschlager bezeichnen kann.
Die Waffen erfreuten sich zwischen 800 und 1100 n. Chr. europaweit großer Beliebtheit. Besonders aus dem wikingerzeitlichen Skandinavien stammen zahlreiche Funde, darunter sowohl echte als auch gefälschte Ulfberht-Waffen. Wie das Schwert in die Uckermark und somit in das einstige Siedlungsgebiet der slawischen Ukranen gelangte, lässt sich heute nicht mehr nachverfolgen. Archäologische und schriftliche Quellen belegen jedoch, dass sich die slawischen Eliten des Frühmittelalters gern mit militärischen Statussymbolen, ausstatteten – und dass die Zeiten ausgesprochen unruhig waren.
Offen bleibt auch die Frage, ob das Schwert im Zuge eines Unfalls oder Unglücks in das Wasser gelangte oder ob es absichtlich, möglicherweise als Opfer an einer einstigen Furt, deponiert wurde.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM

Funde aus Buchow-Karpzow

Ein außergewöhnlicher Kult- und Bestattungsplatz der mittleren Jungsteinzeit

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Im heute beschaulichen Buchow-Karpzow im Havelland spielten sich vor etwa 5000 Jahren wohl eindrucksvolle Szenen ab: Zum Klang einer Tontrommel tanzen Menschen über eine von Scherben übersäte Sandfläche. Immer wieder werden Gefäße, kleine wie große, verzierte wie schmucklose, mit großer Wucht auf dem Boden zerschlagen. Und schon geht der wilde Tanz weiter, bis schließlich auch die Trommel zerschellt und in viele Einzelteile zerspringt.
Was wie ein ausgelassener Polterabend anmutet, ist eine Interpretation aufsehenerregender Hinterlassenschaften der so genannten Havelländischen Kultur, welche ab 1975 bei Ausgrabungen unter G. Wetzel und E. Kirsch zu Tage befördert wurden. Unter einer etwa 40 cm dicken Schicht aus absichtlich zerschlagenen Gefäßen, mindestens einer zerstörten Tontrommel und weiteren Bruchstücken von Steingeräten, Mahlsteinen und Spinnwirteln fanden die überraschten Forscher Bestattungen – und zwar von mindestens 20 Rindern. Die Mehrheit der Tiere waren paarig in eine Grube gelegt worden. Zwei Rinder trugen offenbar sogar wertvolle Bernsteinanhänger als Schmuck. Was war hier geschehen? Um diese Frage beantworten zu können, muss die gesamte Grabungsgeschichte des Fundplatzes erzählt werden.
In unmittelbarer Nähe der Rinderbestattungen waren die Archäologen zuvor auf die Überreste einer so genannten Totenhütte gestoßen. Die aus Hölzern und Feldsteinen errichtete, U-förmige Anlage maß etwa 4,8x2,6m. In ihrem Inneren fand man die Überreste von mindestens 21 Personen samt Beigaben, zu denen Tongefäße, Knochen- und Bernsteinperlen, durchbohrte Tierzähne und -knochen, ein Spinnwirtel sowie Klingen, Pfeilspitzen und ein Beil aus Feuerstein gehörten. Auch Speisen in Form von Fladenbroten und Getreide bzw. Samen hatte man den Verstorbenen mitgegeben.
So genannte Kollektivgräber, meist allerdings aus großen Findlingen errichtet, sind für die Jungsteinzeit nicht ungewöhnlich. Vergleichbar waren sie wohl mit einer Art Gruft für Angehörige einer Gruppe, die hier gemeinsam zur Ruhe gebettet wurden.
Zu einem uns unbekannten Zeitpunkt wurde die Totenhütte in Buchow-Karpzow schließlich eingeäschert, und mit ihr die Leichen sowie alle Beigaben. Abschließend türmte man einen Sandhügel über der Anlage auf. Östlich vom Eingang der Totenhütte befand sich offenbar ein Kultplatz. Hier bestattete man eine ganze Herde der wertvollsten Haustiere jener Zeit und feierte aufwendige Zeremonien. Denkbar ist es, dass die Rinder, ebenso wie die zerschlagenen Objekte, als Opfergaben rituell getötet wurden. Auch die Überreste weiterer Tiere und sogar eines Kleinkindes wurden bei ausgiebigen Untersuchungen auf dem Areal geborgen.
Die Totenhütte sowie der Kultplatz von Buchow-Karpzow bezeugen, wie komplex und für uns fremd und unverständlich die Bestattungssitten und wohl auch die Vorstellungswelt der Menschen jener fernen Zeit waren.
Auf dem Foto abgebildet sind die rekonstruierte Tontrommel vom Kultplatz, eine durchbohrte Bernsteinscheibe aus einer Rinderbestattung, Knochenperlen, im Stil der Havelländischen Kultur verzierte Keramik sowie verbrannten Bärenkrallen.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM

Artikel auf facebook


„Der Laufsteg-Trend, den jeder tragen kann”

Fibel – Bronze, Groß Machnow, Lkr. Teltow-Fläming

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

So titelte unlängst ein Magazin über die aktuelle Wiederentdeckung der Sicherheitsnadel in der Mode. Aber die Wandlung der Sicherheitsnadel vom praktischen Alltagsretter zum stylischen Accessoire ist nichts Neues. 1994 erregte die Schauspielerin Elizabeth Hurley in einem wesentlich von Sicherheitsnadeln zusammen gehaltenen Kleid große Aufmerksamkeit. Und in den 1980er Jahren war die Sicherheitsnadel in Wange, Nase oder Ohr ein Kennzeichen der rebellischen Subkultur der Punks, also ein „sozialer Marker”.
All dies ist jedoch keine neue Entwicklung. Dahinter steht eine bereits mehr als tausendjährige Tradition. Schon die antiken Sicherheitsnadeln, die sogenannten Fibeln (von lateinisch „fibula” = Schließe), waren nicht nur ein praktischer Kleidungsverschluss. Durch das verwendete Metall, die spezifische Form und den Ort, an dem eine Fibel am Gewand getragen wurde, konnten die Trägerinnen und Träger ihre Herkunft, ihre Stellung in der Gesellschaft, ihr Alter und vieles mehr für andere gut sichtbar zum Ausdruck bringen.
Die abgebildete Fibel aus Groß Machnow, Lkr. Teltow-Fläming, zum Beispiel stammt aus dem Grab einer älteren Frau. Während andere Damen jener Zeit, dem 4. Jahrhundert n. Chr., oft ein schlauchförmiges Kleid trugen, das an beiden Schultern mit je einer Fibel zusammen gehalten wurde, gab es im Grab dieser Dame nur eine Fibel. Deren Lage deutet auf einen Umhang hin, der am Hals geschlossen wurde. Vielleicht war dies die Tracht einer älteren Frau, die ihre beiden Kleiderfibeln schon an eine Tochter übergeben hatte.
Die gezeigte Fibel ist an sich weder von ihrer Form her (eine sogenannte Armbrustfibel) noch aufgrund ihres Materials, Bronze, spektakulär. Vergegenwärtigt man sich jedoch, wie zeitgleiche Gewandschließen damals aussahen, fällt sofort eine grundsätzliche Formähnlichkeit auf. Die Form der Groß Machnower Fibel lag voll im Trend der Zeit! Mit ihr konnte die Dame also auch weitab der römischen Metropolen eine gewisse „Weltläufigkeit“ demonstrieren.
Text: Dr. Martina-Johanna Brather, BLDAM


Pferd und Turm – Schachfiguren

Schachfigur (links), Knochen, Fürstenwalde, Lkr. Oder-Spree
Schachfigur (rechts), Bernstein, Eberswalde, Lkr. Barnim

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Die Entstehung des Schachspiels liegt im Dunkeln – vermutlich spielte man schon lange vor den ersten Nennungen in Indien. Im frühen 7. Jh. n. Chr. wird der König von Kannauj, in Nordindien dadurch charakterisiert, dass er Schlachten nur auf dem Brett mit acht mal acht Feldern geschlagen habe – ob er wirklich so friedvoll war, ist aber fraglich. Im arabischen Raum beginnt die Überlieferung zu Schach im 8. Jh. n. Chr., im byzantinischen Reich war das Spiel spätestens seit dem frühen 9. Jh. n. Chr. bekannt.
Bis in unsere Breiten gelangte das Spiel seit dem 10. Jh., wie ein Gedicht über Schach aus dem Kloster Einsiedeln zeigt. Funde von mittelalterlichen Schachfiguren belegen die Beliebtheit des „königlichen Spiels“ besonders bei den Eliten. Diese verfügten sowohl über die Bildung als auch die Freizeit, anspruchsvollen Brettspielen zu frönen. Seitens der Moralprediger wurde aber auch das Schachspiel kritisiert, nicht nur einfaches Glücksspiel mit Würfeln. Neben dem reinen Aspekt des Spiels hatten das Schachfeld – das Schachzabel – und die Figuren auch eine tiefe symbolische Bedeutung. So galten das Schachzabel als Darstellung der Welt und die Bewegungen wurden mit Handlungen von Menschen parallelisiert.
Die vielleicht berühmtesten archäologischen Funde von Schachfiguren stammen von der schottischen Isle of Lewis – sie stellen kunstvoll geschnitzte Personen dar. Besonders eindrucksvoll sind die mit Sorge und ins Gesicht geschlagener Hand das Spielgeschehen verfolgende Königin sowie ein in seinen Schild beißender „Berserker“, vermutlich als Turm oder Läufer gespielt. Im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg sind drei Schachfiguren zu sehen. Ein Läufer aus Eberswalde ist aus Bernstein gefertigt. Die Form entspricht Beispielen aus dem persischen Raum, mit kegelförmigem Corpus und schräg nach oben weisenden Buckeln. Vergleichsfunde in Mitteleuropa werden in die Zeit zwischen dem 12. und dem 14. Jh. datiert. Der Turm aus Fürstenwalde ist bereits in einer den heutigen Figuren ähnlichen Form ausgeprägt, er kann spätmittelalterlich, aber auch frühneuzeitlich datieren.
Die dritte Figur aus der Meyenburg (ohne Abbildung) gleicht den heute üblichen Bauern. Im Kontext des adligen Umfelds auf der markgräflichen Meyenburg, die sich durch weitere besondere Funde, wie einen Goldring und eine vermutlich zur Jagd genutzte Lockpfeife auszeichnet, ist der Fund einer Schachfigur alles andere als überraschend. Dass die askanischen Markgrafen das Schachspiel liebten, lässt bereits die Darstellung Otto IV. in der Manessischen Liederhandschrift erkennen.
Die drei Schachfiguren finden Sie im Mittelalterraum des Archäologischen Landesmuseum Brandenburg. Machen Sie sich doch einmal in den Vitrinen auf die Suche!
Dr. Christof Krauskopf, BLDAM

Artikel auf facebook nachlesen


Von Gold und Bogenschützen am Ende der Steinzeit

Funde aus dem Grab: sechs Goldringe, eine Armschutzplatte aus rotem Sandstein und fünf Pfeilspitzen aus Feuerstein.

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Am Rand des Havellandes wurden im Jahr 2004 eine kleine Gruppe von Gräbern und die Reste einer zeitgleichen Siedlung untersucht. Im Verlauf der Ausgrabungen zeigte sich, dass eines der Gräber eine kleine Sensation in sich barg, für die bisher in ganz Europa keine vergleichbare Bestattung bekannt ist.
In dem mehr als 4000 Jahre alten Grab hatte man drei Individuen übereinander liegend bestattet – zuunterst lag ein 30-40-jähriger Mann, es folgte ein 15-jähriger Junge und schließlich eine mit dem Mann etwa gleichalte Frau. Jedem Einzelnen hatte man Goldringe mitgegeben: dem Mann drei, dem Jungen zwei und der Frau einen Ring. Aus dem Grab stammen insgesamt sechs Gefäße, die unterschiedliche Formen und Verzierungen aufweisen. Darüber hinaus hatte man dem Mann fünf flächenretuschierte Pfeilspitzen aus Feuerstein und eine fragmentierte, aber funktionsfähige Armschutzplatte aus rotem Sandstein mit in das Grab gelegt. Die Lage der Pfeilspitzen lässt vermuten, dass sie ursprünglich in einem Pfeilköcher steckten. Sicherlich gehörte auch ein hölzerner ebenfalls nicht mehr erhaltener Bogen zu den Beigaben.
Auch wenn sich das Holz in den sandigen Böden nicht mehr erhalten hat, ließ sich aus der Form der Grabgrube noch etwas erkennen: Für die Bestattung wurde eigens eine hölzerne Grabkammer gezimmert, die auf dem Boden offenbar mit einer organischen Auskleidung versehen war. Aus besser erhaltenen etwa zeitgleichen Bestattungen in Dänemark sind geflochtene Matten und Gebinde aus Ästen, Blättern und Blüten überliefert, auf die man die Toten niederlegte. Der 30-40-jährige Mann wurde zuerst in die Grabkammer gelegt. Anschließend, möglicherweise auch einige Jahre später der Junge und die Frau. Die Skelettreste des Mannes erzählen von einem bewegten Leben: verheilte Verletzungen am Schädel und starke Abnutzungspuren am Oberarm und am Oberschenkel. Die Goldringe fanden sich, wie bei den anderen beiden Individuen im Bereich der Stirn und waren ursprünglich vermutlich auf einer nicht mehr erhaltenen Kopfbedeckung aufgenäht. Goldschmuck ist zu dieser Zeit sehr selten und kostbar. Es gibt nur sehr wenige Gräber in Nordeuropa mit einem vergleichbaren Spektrum an Beigaben. So gilt auch die Armschutzplatte – eine typische Beigabe der Glockenbecherkultur – und die Pfeilspitzen als außerordentliche Beigabe. Sie kennzeichnen den Mann zusammen mit den Goldfunden und den anderen Bestatteten nicht nur als Bogenschützen und Krieger sondern als herausragende Persönlichkeit seiner Zeit.
Gräber der Glockenbecherkultur sind über ganz Europa verbreitet. Dabei gleichen Gefäße aus Nordeuropa in Form und Verzierung solchen aus Süd- und Mitteluropa. Die in den letzten Jahren intensivierten Forschungen konnten zeigen, dass die Träger dieser Kultur sehr mobil waren und weite Reisen entlang der großen Flussläufe Kontinentaleuropas bis auf die Britischen Inseln unternahmen. Das bekannteste Beispiel ist der in der Nähe von Stonehenge entdeckte sogenannte Amesbury Archer, eine ausgesprochen reiche Bestattung, mit Gefäßen, Bronzedolchen, Goldringen, Pfeilspitzen und Armschutzplatten. Die an den Zähnen durchgeführten naturwissenschaftlichen Isotopen-Untersuchungen ergaben ein überraschendes Ergebnis: der Amesbury Archer reiste erst spät in seinem Leben auf die Britischen Inseln, ursprünglich war er in der Alpenregion aufgewachsen. Vielleicht stammte auch der Mann aus Wustermark aus einem ganz anderen Teil Europas? Bildunterschrift: Funde aus dem Grab: sechs Goldringe, eine Armschutzplatte aus rotem Sandstein und fünf Pfeilspitzen aus Feuerstein.
Text: Dr. Ralf Lehmphul M.A., BLDAM


Eine bronzezeitlicher Hortfund aus Dyrotz im Havelland

Gürteldose mit fünf Goldspiralen - Bronze und Gold, Hortfund, Dyrotz, Lkr. Havelland

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Im Jahr 1999 wurden auf einem Feld bei Dyrotz eine bronzezeitliche Gürteldose samt Deckelfragmenten und sechs goldene Spiralringe entdeckt. Sicher ist, dass die Objekte ursprünglich gemeinsam in einer Grube deponiert, später von einem Pflug verlagert und teilweise beschädigt wurden. Ob die Ringe ursprünglich in dem Gefäß lagen, kann leider nicht mehr eindeutig geklärt werden.
Die flache, gegossene Bronzedose ist für die Zeit um 1100 v. Chr. typisch. Sie trägt zwei rechteckige, zum Teil beschädigte Henkel, die auf der leicht ausgerissenen Dosenwand sitzen. Die Wandung prägen zwei umlaufende Rippenwülste, wobei oberer und unterer Dosenrand optisch als weitere Rippen erscheinen. Kaum mehr erkennbar sind die girlandenartigen Verzierungen aus Dreiecken, die die Wandrippen säumen.
Eigentlicher Blickfang ist der Gefäßboden, den ein aufwendiges, eingetieftes Dekor bedeckt. Einen mittigen, mit fünf Kerbstrichen verzierten „Knopf“ umlaufen zwei konzentrische Strahlenkränze mit zehn, beziehungsweise zwanzig Fortsätzen. Auffällig ist die – von innen nach außen laufende – Verdopplung der Kerben und Strahlen, welche ein bewusstes Zahlenspiel sein dürfte.
Das bronzene Artefakt war ursprünglich goldglänzend, heute ist die Oberfläche der Dose jedoch schwarz-grün verfärbt. Eine derartige Patina entsteht unter anderem, wenn Kupfer – ein Bestandteil der Legierung Bronze – im Laufe der Zeit mit Stoffen in seiner Umwelt reagiert.
Gürteldosen sind eine Erscheinung der so genannten Nordischen Bronzezeit. Ihr Hauptverbreitungsgebiet erstreckt sich von Südskandinavien bis nach Nordmitteleuropa. Niedergelegt wurden diese Artefakte sowohl in Bestattungen als auch in Horten - oftmals gemeinsam mit Schmuck der bronzezeitlichen Damenwelt.
Wie der Name verrät, nahm man an, dass die Dosen mittels ihrer Henkel am Gürtel aufgezogen wurden. In der Tat zeigen Henkel vereinzelt Abriebspuren, doch lässt sich die vermutete Tragweise nicht eindeutig belegen. Eher erscheinen uns die Dosen als eine Art Schmucktresor, prähistorisches Portemonnaie oder Behälter für besondere Substanzen. Dieser ließ sich mit einem Deckel aus Holz oder Bronze und einem durch die Henkel geschobenen Holzriegel fest verschließen.
Die sechs Spiralringe wurden aus doppelt gelegtem Golddraht gefertigt. Ihre Enden sind entweder tordiert oder mit Kerbstrichen bedeckt. Nur der kleinste Goldring weist keine Endgestaltung auf. Da die Goldspiralen einen Durchmesser von 0,9 bis 6 Zentimeter haben, kommen sie als Arm- oder Fingerschmuck kaum in Frage. Derartige Spiralen sind aus Gräbern und zahlreichen Horten der Bronzezeit bekannt. In Deponierungen befinden sich die Spiralringe nicht selten in Bronzedosen und -becken oder anderen Gefäßen. In Körpergräbern liegen die Goldspiralen oft am Unterleib, was auf ein Verwahren in einem Gürtelbeutel hindeutet.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Spiralringe offenbar normiert gewichtet waren. Diese Beobachtung könnte sie als bronzezeitliches Zahlungsmittel ausweisen.
Solche Reichtümer verstaute man – so die Vermutung der Experten – in Behältnissen aus Stoff, Leder oder eben in jenen bronzenen Dosen wie dem Exemplar aus Dyrotz.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM

Artikel auf facebook nachlesen


Von klingender Münze und klappender Waage

Waagen und Gewichte aus dem slawischen Mittelalter

Gewichte, Eisen und Bronze, Lenzen, Lkr. Prignitz, Neuendorf, Stadt Brandenburg
Waagschale, Bronze, Land Brandenburg, Fundort unbekannt
Balken von zwei Klappwaagen, Bronze, Bad Freienwalde, Stadt Brandenburg

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Wer kennt nicht den Spruch “Money makes the world go round.”
Doch bringt Geld nicht nur viele Dinge in Bewegung. Auch die Zahlungsmittel selbst sind ein mobiles Gut, welches eine verschlungene Reise durch unzählige Hände, Kassen und Portemonnaies antritt. Dabei handelt es sich mitnichten um ein modernes Phänomen.
So lässt sich für bereits das frühe Mittelalter ein verzweigtes Handelsnetz nachweisen, in welchem Menschen, Waren und Zahlungsmittel weite Strecken zurücklegten.
Zu jener Zeit war in Skandinavien und den slawischen Gebieten das Gewichtsgeld vorherrschende Währung. Vornehmlich Schmuckstücke, Barren oder importierte Münzen aus Silber wurden dem gewünschten Wert entsprechend zerkleinert und beim Verkaufsakt mit Feinwaagen und Gewichten abgewogen.
Die feingliedrigen Waagen waren mit zwei hängenden Waagschalen und einem zusammenklappbaren Balken ausgestattet. Klappwaagen heißen die Messgeräte im Taschenformat daher bezeichnenderweise.
Fragmente derartiger Waagen sind mehrfach im Land Brandenburg gefunden worden. Abgebildet sind eine beschädigte Waagschale sowie die Balken zweier Klappwaagen aus Bronze. Der kleinere Balken stammt aus der Stadt Brandenburg, dem einstigen Stammeszentrum der Heveller. Der zweite Balken wurde in Bad Freienwalde gefunden. Wo die verzierte Waagschale geborgen wurde, ist nicht mehr bekannt.
Untrennbar mit den Waagen verbunden waren normierte Gewichte unterschiedlicher Größe und Schwere, so genannten Kugelzonengewichte.
Derartige Waaggewichte hatten einen Eisenkern, welcher von einem Mantel aus Bronze oder Messing umhüllt war. Die Herstellung sowie die genaue Gewichtung der Stücke waren handwerklich anspruchsvoll. Auf den abgeplatteten Polen zeigten gepunzte Punkte die jeweilige Gewichtsmarkierung an. Somit wurde auf den ersten Blick klar, welches Gewicht zum Einsatz kam.
Auch aus dem Land Brandenburg stammen derartige Gewichte. Die gezeigten Gewichte stammen aus Lenzen, Sitz einer einstigen slawischen Burg beim heutigen Neuendorf in der Prignitz gelegen.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM

Artikel auf facebook nachlesen


Zeig mir was Du hast, ich sage Dir, wer Du bist!

Riemenzunge – Bronze, Dobberzin, Lkr. Uckermark

Foto: Fritz Fabert, BLDAM

Der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Eckhard Walther staunte nicht schlecht, als er den bräunlichen Gegenstand in Händen hielt, der kurz zuvor noch im dunklen Erdreich gelegen hatte. Es war ein kleiner, flacher Bronzegegenstand, an einem Ende durchlocht, am anderen in zwei Zipfeln endend und mit einer feinen Verzierung versehen. Dieser Gegenstand musste einst auf dem Ende eines schmalen Riemens oder Gürtels befestigt gewesen sein, eine sogenannte Riemenzunge, und die musste, so erkannte Walther sofort, sehr alt sein.
In der Tat: Diese Riemenzunge ist mehr als 1500 Jahre alt und sie gehört zu einer seltenen Form. Die beiden Zipfel an ihrem Ende erinnern nämlich an einen Gürtel römischer Soldaten. Dazu muss man wissen, dass das Tragen eines Gürtels Privileg der römischen Soldaten war, sozusagen ihre Uniform. Mit Übernahme des Gürtels am Beginn der Laufbahn trat ein Soldat offiziell in die römische Armee ein. Deutlich sichtbar am Körper wurde der Gürtel getragen und mit aufwändigen Beschlägen und Riemenzungen versehen, die ihn teuer und auffällig machten. So wurde für jeden Betrachter sofort erkennbar, wen er da vor sich hatte. Und durch das Klimpern der Beschläge bei jedem Schritt, war die Anwesenheit eines Soldaten auch deutlich hörbar. In spätrömischer Zeit endete dieser Soldatengürtel in einem sehr langen, geschlitzten Riemen, dessen beide Enden mit einem Blech beschlagen waren. Wirbelte der Soldat das lange Riemenende mit den aufblitzenden Metallenden mit der Hand herum, konnte er schon im zivilen Alltag ziemlich einschüchternd auf sein Gegenüber wirken.
Mit der Auflösung des weströmischen Reichs im Laufe des fünften Jahrhunderts n. Chr., löste sich die strenge Bindung bestimmter Symbole an Institutionen des römischen Reichs. So wurde es möglich, dass nun auch eine germanische Elite den einst allein römischen Soldaten vorbehaltenen Militärgürtel zu ihrem Statussymbol machen konnte. Einige von ihnen legten bei dieser Übernahme besonderes Augenmerk auf das Riemenende des Gürtels. Sie versahen es mit einem reich verzierten Beschlag, oft aus Edelmetall, dessen gezipfeltes Ende bewusst an den geschlitzten Riemen des spätrömischen Soldatengürtels anknüpfte. Derart gegürtet, präsentierten sich die Träger selbstbewusst als mächtige Kämpfer mit dem gleichen Verständnis von Ehre und Korpsgeist wie römische Soldaten. Die Form des Gürtelbeschlags war dabei ihr spezielles Erkennungszeichen. Durch die gleiche Form brachten die Träger ihre Verbundenheit für jeden sichtbar zum Ausdruck.
So können wir heute zwar leider nicht mehr feststellen, auf welche Weise die Riemenzunge in Dobberzin in die Erde gelangte. Ihre Form verrät jedoch, dass ihr Besitzer oder ihre Besitzerin zur damaligen Elite gehörte und über Beziehungen nach Mecklenburg, vor allem aber in das südliche Polen und bis an die mittlere Donau verfügte, wo bisher die meisten derartiger Riemenzungen gefunden worden sind.
Text: Dr. Martina-Johanna Brather, BLDAM

Artikel bei facebook nachlesen


Schleifstein mit Rille – Ein "Pfeilschaftglätter" aus Golßen

Pfeilschaftglätter, Sandstein, Golßen, Lkr. Elbe-Elster

Foto: Thomas Mattern, BLDAM

Das hier vorgestellte Exponat wurde 1968 bei Ausgrabungen eines Fundplatzes der Federmesserkultur (ca. 12.000 und 10.800 v. Chr.) entdeckt. Anhand der Fundverteilung und -abgrenzung konnten ein Zelt mit Feuerstelle und ein Schlagplatz zur Herstellung von Steinartefakten rekonstruiert werden. Im Randbereich des Schlagplatzes wurde unter anderem der Schleifstein mit Rille gefunden. Bei diesen Objekten handelt es sich um Steine, die eine mehr oder weniger ebene Oberseite aufweisen. In diese wurde in der Regel eine einzelne durchgehende regelmäßige Längsrille von 2 - 3 cm eingetieft. Die Breite variiert zwischen 4 - 20 cm.
Diese Geräte wurden aus körnigem Gestein, meist Sandstein – wie bei unserem Exemplar aus Golßen – seltener aus basaltischem Material oder Quarzit gefertigt. Das Rohmaterial wurde zunächst durch gezielte Schläge grob zugerichtet. Die Weiterbearbeitung und Glättung erfolgten mittels Picken und/oder Schleifen. Wichtig hierbei war eine ebene Oberfläche der Arbeitsseite, in der im Anschluss die Rille eingearbeitet wurde. Dies geschah vermutlich im ersten Schritt ebenfalls durch Picken mit anschließender Glättung.
Gehäufte Funde von Pfeilspitzen am Ende der Altsteinzeit gehen einher mit dem Auftreten von Schleifsteinen mit Rille. Die Ausprägung der längs gerichteten Rillen und die Schmirgelwirkung des relativ grobkörnigen Gesteins lassen auf eine Funktion als Glätter von hölzernen Schäften schließen. Schmalere Schleifrillen sprechen für Pfeilschäfte. Mit den breitgerillten Steinen könnten auch Speerschäfte bearbeitet worden sein.
Somit können Schleifsteine mit Rille als indirekter Anzeiger für die Jagd mit Pfeil und Bogen gelten. In Golßen liegen als direkter Nachweis hierfür Pfeilspitzen, die im Zeltinneren und am Werkplatz gefunden wurden, vor. Auch in der späteren Jungsteinzeit sind „Pfeilschaftglätter“ regelhaft mit Pfeilspitzen vorhanden. Erst mit dem Einsetzen der Metallzeiten, als das Jagen eine geringere Rolle einnimmt, treten sie nur noch vereinzelt auf. Es wird in der wissenschaftlichen Fachwelt auch über eine mögliche multifunktionale Nutzung diskutiert. Aus ethnologischen Zusammenhängen vom Aussehen vergleichbarer Geräte wird eine mögliche weitere Verwendung für die Herstellung von Knochenahlen (Werkzeug zum Durchlochen von Leder) und Runden von Perlen in Erwägung gezogen.
Unklar ist, ob das Glätten der zu bearbeitenden (Pfeil-)Schäfte über ein aktives Bewegen des Holzes über das Steinwerkzeug oder umgekehrt erfolgte.
Text: Sandra Lehninger, BLDAM

Artikel auf facebook nachlesen


Mittelsteinzeitliches Walzenbeil aus Potsdam-Babelsberg

Gepicktes Geröllbeil mit geschliffener Schneider (Walzenbeil), Granit, Potsdam-Babelsberg, Stadt Potsdam

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Zu den charakteristischen Geräteformen der mittleren Steinzeit im Norden Europas zählen Beile aus Stein. Es wurden Kern- und Scheibenbeile verwendet. Bei Kernbeilen wird ein Steinrohstück so zugearbeitet, dass annähernd parallele Seitenkanten und eine Schneide entstehen. Bei den Scheibenbeilen dient ein dicker Abschlag oder ein flaches Trümmerstück von einem Stein als Grundform.
Kern- und Scheibenbeile bestehen fast ausschließlich aus Feuerstein oder Material mit ähnlicher Spaltbarkeit. Auf Felsgestein hat man seltener zurückgegriffen, dies vor allem da, wo kaum Feuerstein verfügbar war. Das Stück aus Potsdam-Babelsberg zählt zu den Walzenbeilen. Walzenbeile bestehen aus Felsgestein mit annähernd rundem oder elliptisch-ovalem Querschnitt und sind ringsherum sorgfältig bearbeitet worden. Ihre walzenförmige Gestalt wurde durch Beklopfen, Picken also einem Zermürben des zu bearbeitenden Materials herausgearbeitet. Dieses Exponat besteht aus Granit und weist eine geschliffene Schneide auf.
Walzenbeile waren in erster Linie Rodungsgeräte. Hirschgeweihhacken, die ebenfalls genutzt worden sind, kommen beim Fällen dickerer Bäume an ihre Grenzen. Außer einer höheren Durchschlagkraft bieten Steinbeile die Möglichkeit eine unscharfe oder gebrochene Schneide in wenigen Handwerksgriffen zu erneuern.
Über die Gerätefassungen (Schäftungen), in denen die Walzenbeile steckten, ist wenig bekannt, dürfte jedoch ähnlich wie bei massiven Kernbeilen gewesen sein. So sind mit einem Schaftloch versehene Fassungen aus Hirschgeweih und Holz nachgewiesen. Die Schneide der Beile stand quer zum Stiel. Es gibt in der mittleren Steinzeit neben den Walzenbeilen auch Felssteinbeile mit elliptischen, eckigen und D-förmigen Querschnitten.
Die auffällige lineare, umlaufende helle Verfärbung im Schneidenbereich des Walzenbeils ist keine intentionelle Ritzung, sondern natürlichen Ursprungs – eine Ader im Gestein.
Text: Sandra Lehninger, BLDAM


Ein "Aachhorn" aus Jüterbog

Fragment eines "Aachhorns", Keramik, Jüterbog, Lkr. Teltow-Fläming

Foto: David Wenig, BLDAM

Eine Wallfahrt zu machen heißt, an einen Ort zu "pilgern" (wandern), an dem die sterblichen Überreste von Heiligen oder zugehörige Gegenstände verehrt werden. Die Menschen erhofften sich von diesen Reliquien die Heilung von Gebrechen oder sie wollen mit der beschwerlichen Reise Buße tun.
Im späten Mittelalter ist das Wallfahrten geradezu eine Massenbewegung. Santiago de Compostela in Spanien ist neben Rom und Jerusalem einer der beliebtesten Wallfahrtsorte. Dort wird das Grab des Apostels Jakobus des Älteren verehrt. Muschelfunde belegen, dass sich auch Pilger aus Brandenburg mit „Jakobsmuscheln“ als Pilgerzeichen – meist am Hut befestigt – auf den langen und gefährlichen Weg gemacht haben.
Insbesondere als die Pest im 14. Jahrhundert wütet, suchen die Menschen Unterstützung durch die Heiligen. Viele kleinere Orte, wie Luckau, Bad Wilsnack oder Heiligengrabe, werden in der Folge zu Wallfahrtsorten.
Eine besondere Bedeutung hatten am Wallfahrtsort die Signalhörner.
Pilgerhörner (sog. Aachhörner) werden Signalhörner genannt, die in Aachen bei den seit der Mitte des 14. Jahrhunderts alle sieben Jahre stattfindenden Reliquienschauen bei der Präsentation (sogenannte Heiltumsweisungen) von Pilgern benutzt wurden, um ohrenbetäubenden Krach zu machen. Man schrieb ihnen wundertätige Wirkungen zu und nahm sie als Souvenir mit nach Hause. Dort wurden sie auch als Signal- oder Wächterhörner weiterverwendet.
Ob dieses Stück, welches 1995 bei Grabungsarbeiten in der Klostergasse der Stadt Jüterbog gefunden wurde, tatsächlich aus Aachen oder aus örtlicher Produktion stammt, lässt sich nicht mehr feststellen.
Die bis zu 40 cm langen Hörner wurden von Hand geformt und mit einem Messer in Form gebracht, so dass ein mehreckiger Querschnitt entstand. An der Oberseite des Horns wurden zwei handgeformte Ösen zur Befestigung einer Trageschnur oder eines Riemens angebracht. Ansonsten waren Aachhörner in der Regel unverziert und schlicht. Für einen Geübten war es möglich, darauf bis zu fünf Töne zu erzeugen.
Anfang des 17. Jahrhunderts wurden Aachhörner meist nur noch von Kindern genutzt. Der Brauch des Aachhornblasens während der Reliquienweisung verschwand in der Folgezeit nach und nach.
Text: Dr. Christof Krauskopf, BLDAM

Artikel auf facebook nachlesen


Zwei Tierkopfarmringe der Römischen Kaiserzeit aus Kemnitz

Tierkopfarmringe, Silber, Römische Kaiserzeit, Kemnitz, Lkr. Potsdam-Mittelmark

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Die Zeit von etwa 50 v. Chr. bis 375 n. Chr. bezeichnen Archäologen in unseren Breiten als Römische Kaiserzeit. Die germanischen Gruppen jener Epoche praktizierten nahezu ausnahmslos die Brandbestattung. Ihre Urnengräberfelder umfassten zuweilen Hunderte von Beisetzungen, da die Flächen oft über mehrere Generationen genutzt wurden.
So auch im Falle des kaiserzeitlichen Bestattungsplatzes von Kemnitz in Potsdam-Mittelmark, auf dem Ende der 50er/Anfang der 60 Jahre etwa 900 Bestattungen freigelegt wurden. Zu den hier geborgenen Grabbeigaben gehören auch so genannte Tierkopfarmringe aus Silber, die in den Zeitraum 50-150 n. Chr. datieren.
In Kemnitz wie andernorts fanden sich die filigranen Ringe mit zoomorph gestalteten Enden meist in Bestattungen erwachsener weiblicher Individuen.
Eine Ausnahme bildet das gut erhaltene Exemplar aus dem Kemnitzer Grab 356, welches auf dem Foto im Hintergrund zu sehen ist. Das in spitze Schnauzen auslaufende Schmuckstück wurde einem kleinen Mädchen mitgegeben. Der Verstorbenen folgten zudem vier silberne Fibeln, zwei Armringe aus Silberdraht, wohl ein silberner Halsring und ein Gürtel mit Bronzebeschlägen in ihr Grab, auch eine silberne Hakennadel und eine Bronzenadel gehörten zu den Beigaben. Ein Großteil der Funde ist ausgesprochen ungewöhnlich für ein Kind.
Nur in Teilen erhalten ist der Tierkopfarmring im Vordergrund des Bildes. Das Artefakt stammt vermutlich aus dem Grab einer Frau. Die Verstorbene erhielt neben diversen Schmuck- und Trachtenelementen, Nadeln, einem Eisenschlüssel, einem Spinnwirtel auch einen weiteren fragmentierten Tierkopfarmring. Beide Ringe, die in runde verzierte Schnauzen münden, wurden möglicherweise bewusst zerbrochen.
Als Vorbild für die germanischen Tierkopfarmringe dienten wahrscheinlich römische Schlangenkopfarmringe. Diese wurden als militärische Auszeichnung oder Ehrengeschenk an Armeeangehörige verliehen. Im germanischen Siedlungsraum dürfte man diesen Schmuck gekannt, übernommen und nach eigenem Geschmack gestaltet haben. So lässt sich mitunter nicht entscheiden, welche Tiere die Ringenden darstellen sollen. Auch die Tatsache, dass Frauen diesen Schmuck anlegten, ist eine Abweichung vom römischen Original.
Weitere Typen der germanischen Tierkopfarmringe sind aus Polen und Südskandinavien bekannt.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM

Artikel auf facebook nachlesen


Kultwagen aus Potsdam-Eiche

Kultwagen, Bronze, Eiche, Stadt Potsdam

Foto: Detlef Sommer, BLDAM

Macht und Ansehen der Eliten auf der Erde und zugleich im Angesicht höherer Mächte – dies symbolisieren die reich ausgestatteten Gräber und weithin sichtbaren Grabanlagen. Gerade aus der Bronzezeit sind uns vielfältige Gegenstände mit religiöser Symbolik überliefert. Im Mittelpunkt stehen häufig Sonne und Wasser. Davon zeugen für das Gebiet der Lausitzer Kultur in Brandenburg und Schlesiensieben Deichselwagen-Miniaturen. Obgleich ganz unterschiedlich in der Ausführung, haben alle eines gemeinsam. Ihre Räder sind beweglich. Auf den Tüllen sitzen jeweils Wasservögel. Die Tüllen gabeln sich und die Gabelspitzen laufen in gehörnten Plastiken aus. Die vierspeichigen Räder symbolisieren die Sonne, die Vögel vermutlich das Wasser. Man hat den Wagen in seine Einzelteile zerlegt und in ein Gefäß deponiert. So überdauerte er die Zeiten.
Die meisten Wagen fanden sich im Bereich von Gräberfeldern, daher ist anzunehmen, dass sie während der Bestattungen als Kultgeräte dienten. In die Tülle ließ sich vielleicht ein Stab stecken und damit der Wagen über den Boden rollen oder als Standarte tragen. Die rollende Fortbewegung des Rades und das gemächliche Dahinschwimmen an der Wasseroberfläche gehen eine Verbindung ein…
Text: BLDAM


Der Widder von Lossow

Widderfigur, Bronze, Kultplatz, Lossow, Stadt Frankfurt/Oder

Foto: Fritz Fabert, BLDAM

Der Burgwall von Lossow - in der Nähe von Frankfurt Oder- gilt als eines der bedeutendsten bronze-/früheisenzeitlichen Bodendenkmale der Region. Als befestigte Siedlung am Ende der mittleren Bronzezeit angelegt, wurde man insbesondere durch die Befunde seiner früheisenzeitlichen Nachnutzung aufmerksam.
Diese zeigen sich durch bisher 63 lokalisierte und teilweise untersuchte Schachtanlagen, die bis zu 7 m tief sind und zum Ende des 9. Jh. v. Chr. angelegt wurden. Die Schächte bargen zerstückelte menschliche und tierische Skelett(-reste) und wurden bislang als Hinweis auf Opferungen interpretiert.
Im Zusammenhang mit dieser kultischen Nutzung des Platzes wurde bei den Ausgrabungen des Platzes im Jahre 2008 eine kleine bronzene Widderfigur gefunden, die nicht nur die besondere Stellung und Bedeutung des Fundplatzes Lossow unterstreicht, sondern auch seinen beträchtlichen Bekanntheitsgrad und seine weitreichenden Kontakte in der frühen Eisenzeit aufzeigt. Sowohl zeitlich als auch räumlich ist die kleine Tierfigur ein außergewöhnliches Unikat nicht nur in der Region, sondern auch nördlich der Alpen. Uneingeschränkt zeugt sie von hoher künstlerischer Qualität und stellt ein kleines Meisterstück dar. Eine indirekte Datierung des Widders über Holzkohle belegt eine Zeitstellung in das 8. Jh. v. Chr.
Stilistische Vergleiche weisen in den griechischen Kulturraum, wo vergleichbare bronzene Tierstatuetten aus Tempelanlagen und Heiligtümern geometrischer Zeit (ca. 900-700 v. Chr.) bekannt sind. Beste Parallelen zeigen Funde aus Kultstätten des griechischen Festlandes, insbesondere aus Olympia.
Text: BLDAM


Bartmannskrug

Bartmannskrug Keramik, Stadt Potsdam
Foto: Detlef Sommer, BLDAM

Bei den Ausgrabungen auf dem Areal um den Alten Markt in Potsdam im Jahre 2008, stießen Archäologen auf drei Bartmanns- bzw. Gesichtskrüge aus dem 14./15. Jahrhundert. Es sind sehr aufwendig herzustellende Keramiken. Ihrer hohen Wertschätzung als Schankgefäß entspricht die weite Verbreitung in Mitteleuropa. Charakteristisch sind die auf dem Hals befindlichen frei modellierten Gesichter mit aufliegenden Pupillen. Diese Krüge stammen vermutlich aus den Waldenburger Töpfereien in der Nähe des heutigen Chemnitz. Bei der Deutung dieser Krüge gibt es unterschiedliche Interpretationen. Zum einen könnten die bärtigen Gesichter Gott darstellen, oder als eine Art Apotropaion dienen, ein magischer Gegenstand zum Schutz gegen böse Kräfte.
Sie könnten aber auch einfach nur einen dekorativen Charakter haben.
Text: BLDAM


Zwiebelknopffibel (4./5. Jh. n. Chr.)

Zwiebelknopffibel, Bronze, vergoldet, 4./5. Jhd. Fundort unbekannt, Land Brandenbrug

Foto: Fritz Fabert, BLDAM

Im Allgemeinen sind Fibeln Gewandspangen oder Gewandnadeln, deren Aufgabe darin bestand, Stofflagen (Umhänge, Mäntel) zusammenzuhalten. Die Fibel (lat. fibula = heften) war modischen Veränderungen unterworfen. Daher gab es zeit- und regionalspezifische Formen.
Mitunter können sie auch Hinweise auf das Geschlecht, die soziale Stellung und die Herkunft des Trägers liefern.
Die hier dargestellte Zwiebelknopffibel war in der Spätantike und im Frühmittelalter verbreitet.
Diese vergoldete und aus Bronze bestehende Fibel aus dem 4/5. Jh. n. Chr. war ein Rangabzeichen römischer Beamte und Offiziere. Sie wurden fast nur von Männern und immer einzeln getragen. Anhand von Darstellungen lässt sich feststellen, dass diese auf der rechten Schulter befestigt wurden.
Die meisten Zwiebelknopffibeln wurden aus Messing oder aus Bronze gefertigt. Einige waren auch vergoldet. Wenige Exemplare sind aus Gold oder Silber, was die Vermutung zulässt, dass es sich hier um Rangunterschiede der Träger handelt.
Text: BLDAM


Slawische Schläfenringe

Schläfenringe, Bronze, Lkr. Havelland, Lkr. Potsdam-Mittelmark, Lkr. Märkisch-Oderland

Foto: Fritz Fabert, BLDAM

Schmuckstücke prägten die oft schlichte Kleidung der slawischen Frau. Zu der beliebtesten Schmuckform zählten die Ringe in ihren unterschiedlichen Ausprägungen als Ohrring, Armring und als Schläfenring, der wohl am häufigsten getragen wurde und auch nur im slawischen Kulturkreis anzutreffen war. Sie wurden aus Bronze, aus einer Bronze-Silberlegierung und in seltenen Fällen auch aus Gold gefertigt.
Anhand von Grabfunden konnte nachgewiesen werden, dass die Ringe an kleinen Bändern aus Stoff oder Leder befestigt wurden. Auch konnten mehrere Ringe nebeneinander auf das Trägerband angebracht und beim Anlegen um den Kopf an beiden Schläfen getragen worden sein.
Bei der osteuropäischen Bevölkerung hatte das Tragen der Schläfenringe eine lange Tradition.
Seit dem 9./10. Jahrhundert erlangte der Schläfenring mit S-förmigem Ende zunehmend an Bedeutung. Anfangs hatten sie noch einen kleinen Durchmesser bis 2,5 cm, der sich dann aber seit dem 11. Jahrhundert bis zum 13. Jahrhundert auf bis zu 8 cm erweiterte.
Eine besondere Art dieser Ringe waren die sogenannten Hohlschläfenringe, die vor allem in den Gebieten der Heveller, der Wilzen der Obodriten und der Pomoranen verbreitet waren.
Dünnes Blech wurde dafür zu kleinen Röhren zusammengerollt und zu einem Ring gebogen. Die dickeren Hohlschläfenringe hatte man durch Punzen und Treibarbeit mit verschiedenen Schmuckmotiven wie Rauten oder Palmetten versehen.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Zeit vergeht – Eine halbe Klappsonnenuhr aus Elfenbein

Unterplatte einer Klappsonnenuhr, Elfenbein, um 1620-1634, Frankfurt/Oder

Foto: Thomas Mattern, BLDAM

Klappsonnenuhren dienten Reisenden ab dem späten 15. Jahrhundert. Wahrscheinlich erfand sie der österreichische Astronom Georg von Peuerbach.
Die achteckige Unterplatte zeigt ein einfaches Ziffernblatt mit der Stundenfolge 4 – 12 – 8. Die halben Stunden sind durch Punkte markiert. Der Kompass selbst ist nicht erhalten. In der dafür vorgesehenen Vertiefung sind die lateinischen Hauptrichtungen SEP/ORI/MERI/OCCI /Nord/Ost/Süd/West) sowie die Missweisung des Kompasses (durch Erdmagnetismus bedingte Abweichung der Nadel von der Nord-Süd-Achse) eingraviert.
Zwischen der Unterplatte und der nicht mehr erhaltenen Oberplatte war ein Faden gespannt, der als Schattenwerfer diente. Die Meistersignatur auf der Unterseite ist vermutlich Hans Troschel dem Jüngeren, einem Kompassmacher und Kupferstecher aus Nürnberg zuzuweisen.
Text: BLDAM


Die Angelhaken aus Wustermark und Dreetz

Angelhaken, Knochen, 10 500 bis 9 300 v. Chr., Wustermark und Deetz, Lkr. Ostprignitz-Ruppin

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Die Menschen der Mittleren Steinzeit (ca. 9000 bis 5000 v. Chr.) werden gemeinhin als „Jäger und Sammler“ bezeichnet. Dass dieser Aufzählung der „Fischer“ hinzugefügt werden darf, unterstreichen zahlreiche Funde von Fischfanggeräten aus jener Zeit.
Zur Ausstattung der mittelsteinzeitlichen Fischer gehörten Angelhaken. Diese wurden aus organischem Material, wie den Röhrenknochen von großen Säugetieren oder aus Hirschgeweih hergestellt. Ins Wasser gelassen wurden sie vermutlich an einer Leine aus Bast, Leder oder Sehne. Eine Durchlochung oder eingekerbte Rillen am oberen Ende des Hakens dienten zur Befestigung der Angelschnur.
Noch heute beeindrucken die Maße vieler Artefakte, denn die durchschnittliche Länge der Stücke variiert zwischen 8 und 15 Zentimetern. Der knöcherne Angelhaken im Bildvordergrund stammt aus Dreetz, im Landkreis Ostprignitz-Ruppin, und misst sogar stattliche 18 Zentimeter. Im Vergleich zu heutigen Angelhaken aus Metall wird die Größe des Fundstücks besonders deutlich. Derart opulente Angelhaken eigneten sich für den Fang von sehr großen Fischen wie Hecht oder Wels. Doch auch andere Fangtechniken waren bekannt. Man nutzte nachweislich bereits Reusen, Netze und Aalstecher.
Gemeinhin gelten die markant gebogenen Angelhaken als „Erfindung“ der Mittleren Steinzeit, doch wirft eine Entdeckung aus dem Havelland ein neues Licht auf diese Annahme. Der Fundplatz Wustermark 22 erbrachte zahlreiche Artefakte, die die Anwesenheit altsteinzeitlicher Jäger vor etwa 12 000 Jahren belegen. Das Fundgut ließ die Forscher staunen, denn insgesamt sechs, z. T. fragmentierte Angelhaken aus organischem Material konnten geborgen werden.
Die nähere Untersuchung der Stücke führte zu einer weiteren Überraschung: Ein Angelhaken (rechts im Bild) war aus dem Stoßzahn eines Mammuts gefertigt. Das Tier hatte jedoch vor etwa 18 000 Jahren gelebt und war somit weitaus älter als die endpaläolithischen Angler. Die Menschen hatten das fossile Elfenbein offenbar gefunden und zur Herstellung eines Angelhakens verwendet.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Schmuck aus Hirschzähnen

durchlochte Schneide- und Eckzähne vom Hirsch, 6270 bis 6110 v. Chr.,Groß Fredenwalde, Lkr. Uckermark

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Als 1962 bei Bauarbeiten in Groß Fredenwalde menschliche Knochen zutage kamen, rief man zunächst die Kriminalpolizei. Doch ein hinzugezogener Bodendenkmalpfleger deutete die menschlichen Überreste sofort als prähistorische Bestattung. Diese Entdeckung markierte den Beginn der bis heute andauernden Untersuchung des Areals.
Auf dem „Weinberg“, einer Erhebung in der seenreichen Uckermark, wurden bisher neun Individuen geborgen, die von der Mittleren Steinzeit bis in die frühe Phase der Sesshaftwerdung datieren (ca. 6400 bis 4900 v. Chr.). Somit ist Groß Fredenwalde ein in jeglicher Hinsicht herausragender Fundplatz: Mesolithische Bestattungen werden ausgesprochen selten entdeckt. Noch seltener ist der Nachweis mehrerer Beisetzungen an ein und demselben Ort.
Die bekannten Bestattungen umfassen die Gräber einer Frau und eines Kindes, die von zwei Männern und zwei Kindern, sowie die Beisetzungen eines Kindes, eines Säuglings und eines jungen Mannes. Die Grabgruben waren, wie für diese Zeit nicht unüblich, mit rotem Sand bzw. Ocker ausgestreut, und verleihen Artefakten wie Knochen bis heute eine markante rötliche Färbung. Auch Beigaben in Form von Flintklingen und -abschlägen, Lehmkugeln, Pfeilspitzen, Knochenahlen, Knochendolchen und eines Flintschneidendolches mit Verzierung konnten geborgen werden.
Zu den Beigaben zählen auch gelochte Tierzähne, von denen 41 bei den Ausgrabungen 1962 freigelegt wurden. Die Durchbohrungen lassen erahnen, dass die Zähne einst als Schmuck Verwendung fanden. Der Fund von einigen, noch an einem Kinderschädel anhaftenden Schneide- und Eckzähnen vom Rothirsch belegen dies eindrücklich. Ob diese Tierzähne einst auf einer Kopfbedeckung aufgenäht waren oder als eine Art Stirnband getragen wurden, lässt sich jedoch nicht mehr ermitteln.
Schmuck aus Tierzähnen und -krallen sowie aus Geweihen, Muscheln und Knochen ist mehrfach aus steinzeitlichen Kontexten überliefert. Die Stücke wurden als Anhänger bzw. als regelrechte Colliers getragen, auf der Kleidung angebracht oder gehörten zu verschiedensten Kopfbedeckungen. In spät- und mittelsteinzeitlichen Bestattungen finden sich immer wieder auch filigrane, durchbohrte Schneckengehäuse, die wohl ursprünglich die Kleidung zierten.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Zweireihige Harpune

Zweireihige Widerhakenspitze, Rengeweih, ca. 10750 bis 9600 v. Chr., Zeestow, Lkr. Havelland

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Im Vorfeld des Ausbaus des Havelkanals wurden in den Jahren 2006 und 2007 archäologische Untersuchungen in Zeestow vorgenommen. Der Ort liegt an der Wublitzrinne, einem teilweise versumpften Nebenarm der Havel. Dieses Gebiet zeichnet sich, wie das Havelland allgemein, durch eine hohe Zahl an alt- und mittelsteinzeitlichen Fundplätzen aus, darunter der Fundplatz Zeestow 4.
Im Zuge der Ausgrabung, die eine zeitweise Grundwasserabsenkung notwendig machte, kamen zahlreiche vorgeschichtliche Funde und Befunde zutage.
Zu den ältesten Artefakten aus Zeestow gehören zwei nahezu vollständige Widerhakenspitzen aus Geweih. Fragmente weiterer Widerhakenspitzen konnten ebenfalls identifiziert werden.
Mit etwa 21 cm gehört die abgebildete zweireihige Harpune bislang zu den größten Exemplaren dieser Art in Brandenburg. Ihre besonders sorgfältige Ausführung belegt das große handwerkliche Geschick des einstigen Herstellers. Die Datierung des Stückes fällt in den finalen Abschnitt der Altsteinzeit um etwa 10 000 v. Chr. Zu dieser Zeit sanken die Temperaturen noch einmal merklich. Die Ausbildung einer Tundrenlandschaft mit vereinzeltem Baumstand aus Kiefern und Birken sowie das Einwandern kälteresistenter Tierarten waren die Folge.
Während dieser Zeit lebten in weiten Teilen Nordmitteleuropas Gruppen der so genannten Ahrensburger Kultur. Diese Wildbeuter der späten Eiszeit ließen sich nicht dauerhaft nieder, sondern zogen den großen Rentierherden, ihrer Hauptversorgungsquelle, hinterher. Spuren einstiger Jagdstationen lassen sich archäologisch zum Beispiel anhand von Herstellungsresten, Schlachtabfällen oder verloren gegangenen und weggeworfenen Geräten oder Feuerstellen ausmachen.
Die hochspezialisierten Jäger verfügten über ausgeklügelte Jagdstrategien und das dazugehörige Waffenarsenal. Hierzu gehörten neben langstieligen Steinprojektilen für die Jagd mit Pfeil und Bogen auch Harpunen, mit denen Holzspeere bewehrt wurden. Die Harpunen dieser Zeit sind meist aus Rentiergeweih gefertigt und tragen einseitig oder beidseitig Widerhakenreihen. Die Stücke waren nicht fest mit dem Speerschaft verbunden, sondern nur eingeklemmt und am Ende mit einer Leine gesichert. Beim Eindringen in das Fleisch des Beutetieres löste sich die Harpune und blieb stecken. Diese Jagdtechnik war besonders effektiv beim Fischfang, der in den kommenden Jahrhunderten eine immer größere Rolle in der Nahrungsbeschaffung einnehmen sollte.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Backenzahn eines Wollhaarmammuts

Backenzahn vom Mammut, Umgebung von Mittenwalde, Lkr. Dahme-Spreewald

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Der imposante Backenzahn eines Wollhaarmammuts stammt aus der Umgebung von Mittenwalde im Landkreis Dahme-Spreewald.
Wie seine Artgenossen war auch dieses Tier mit einem dichten Fell ausgestattet und somit bestens an die klimatischen Bedingungen einer Eiszeit angepasst. Bereits aus der Saale-Kaltzeit vor etwa 200 000 Jahren gibt es Belege für die Anwesenheit der haarigen Riesen in Mitteleuropa. Besonders weit verbreitet war das Wollhaarmammut in der darauffolgenden Weichsel-Kaltzeit vor 115 000 bis etwa 12 000 Jahren. Sein Lebensraum reichte nun von Nordamerika über weite Teile Europas bis nach Asien.
Wollhaarmammuts hatten in etwa die Größe eines heutigen Elefanten. Ihre Statur und vor allem die Extremitäten waren jedoch gedrungener. Das Gebiss bestand nur aus den mächtigen Stoßzähnen sowie den langovalen Backenzähnen. Letztere wurden im Laufe des Lebens mehrfach abgestoßen und erneuert – doch nach drei Milchmolaren und drei Dauermolaren fand diese Gebissüberholung ein Ende.
Die Backenzähne mit ihrer auffälligen Lamellenkrone waren notwendig für die Nahrungsaufnahme- und zerkleinerung, denn Mammuts ernährten sich hauptsächlich von Gräsern, die sie neben Moosen und Baumteilen in großen Mengen verspeisten – das bestätigen auch die zum Teil erhaltenen Mageninhalte von mumifizierten Mammuts aus den Permafrostböden Sibiriens und Nordamerikas.
Die Begegnung zwischen dem Mammut und unseren Vorfahren lässt sich vereinzelt auch archäologisch nachweisen. So wurde die berühmte Skulptur des Löwenmenschen von Hohlenstein-Stadel (etwa 40 000 v. Chr.) aus Mammut-Elfenbein gefertigt. Dass das Mammut ebenfalls als Motiv diente, zeigen eine kleine Elfenbeinfigur aus der Vogelherdhöhle im Lonetal (etwa 40 000 v. Chr.) sowie die Höhlenmalereien in der Grotte de Rouffignac in der Dordogne (etwa 15 000 v. Chr.).
Eine überraschende Verwendung fand das Mammut an einem jungpaläolithischen Lagerplatz im ukrainischen Meschyritsch. Hier entdeckte man Überreste von mehreren Rundhütten, deren Gerüste aus Mammutknochen bestanden (etwa 13 000 v. Chr.).
Wie auch andere Vertreter der Megafauna starb das Mammut mit dem Ende der letzten Eiszeit aus. Der kontinuierliche Temperaturanstieg, eine drastisch veränderte Umwelt und die menschliche Bejagung werden als Gründe für sein Verschwinden vermutet.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Eine Vogelschale aus Klein Döbbern

Schale, Keramik, 10. bis 8. Jh. v. Chr., Klein Döbbern, Lkr. Oberspreewald-Lausitz
Leihgabe Städtische Sammlungen Cottbus
Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Kontaktnetzwerke, Metallurgie oder die Entstehung einflussreicher Eliten - die Bronzezeit hat zahlreiche Innovationen und Themenschwerpunkte zu bieten. Wenig bekannt ist jedoch, dass dieser Zeitabschnitt auch für Vogelfreunde Interessantes bereithält.
So ist der Wasservogel ein weit verbreitetes Motiv der ausgehenden Bronzezeit. Er begegnet uns – in unterschiedlicher Ausführung – als figürlicher Aufsatz, als Verzierung diverser Artefakte sowie als tönerne Rassel. Wir wissen nicht, welche Rolle Wasservögel in der Vorstellungswelt der bronzezeitlichen und früheisenzeitlichen Menschen einnahmen.
Möglicherweise galten sie als Mittler zwischen den Elementen, denn sie waren auf dem Land, im Wasser und in der Luft zu Hause.
Besonders selten im Fundmaterial sind so genannte Vogelschalen. Hierbei handelt es sich um Tonschalen, in deren Mitte tönerne Vogelfiguren auf kleinen Tonsockeln aufgesteckt sind. Nur zwei erhaltene Vogelschalen sind bisher bekannt, zwei weitere Exemplare werden in Aufzeichnungen erwähnt, gelten jedoch als verschollen. Auffallend ist, dass die in Ostdeutschland lokalisierten Fundplätze räumlich dicht beieinander liegen und Bezug auf den Verlauf der Spree bzw. ihrer Zuflüsse zu nehmen scheinen.
Die Vogelschale aus Klein Döbbern wurde im Jahr 1967 auf einem jüngstbronzezeitlichen Flachgräberfeld am Stausee Bräsinchen / Spremberg freigelegt. Die zum Typ der Omphalosschalen gehörige Keramik lag in einem mit weiterem Tongeschirr ausgestatteten Brandgrab, das von einer teilweise erhaltenen Steinsetzung umgeben war. Die Datierung der Schale weist in die Lausitzer Kultur des 10. bis 8. Jahrhunderts v. Chr.
Die kleine Schale hat einen Durchmesser von 15 cm. In ihr thronen drei hohle, gleich große Vogelplastiken. Alle drei entenähnlichen Figuren tragen eine Rillenverzierung, die das Vogelgefieder darstellen soll. Auch die Augen der Tiere sind stilisiert angedeutet.
Die Vogelschale dürfte – ähnlich wie flache Henkelschalen, henkellose Omphalosschalen, kleine Kännchen und Tassen – mit zeitgenössischen, möglicherweise kultisch geprägten Trinksitten in Zusammenhang stehen. In der Tat stellt dieses Fundstück ein besonderes Trinkgefäß dar: Füllt man die Vogelschale mit einer Flüssigkeit, vermitteln die Plastiken den Eindruck einträchtig nebeneinander schwimmender Vögel.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM

Artikel auf facebook nachlesen


Gefäße der Havelländischen Kultur

vorn: Tasse, Keramik, ca. 3100 v. Chr. bis 2700 v. Chr., Dreetz, Lkr. Ostprignitz-Ruppin
Mitte: Tasse Keramik, ca. 3100 v. Chr. bis 2700 v. Chr.,Butzow, Lkr. Havelland
hinten: Tasse und Napf, Keramik, ca. 3100 v. Chr. bis 2700 v. Chr., Päwesin, Lkr. Potsdam-Mittelmark

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Um etwa 5200 v. Chr. begann im Gebiet zwischen Oder und Elbe die Jungsteinzeit. In der etwa dreitausend Jahre währenden Epoche hielt nicht nur die sesshafte Lebensweise, und mit ihr Ackerbau und Viehzucht, Einzug in das Leben der Menschen. Auch das Töpferhandwerk ist eine nicht zu unterschätzende Neuerung dieser Zeit.
Die jungsteinzeitlichen Gefäße lagen nicht nur ihren einstigen Besitzern am Herzen, die sie als Ess- und Trinkgeschirr sowie als Schöpfgefäße und Vorratsbehälter verwendeten. Auch für die Archäologie sind die keramischen Hinterlassenschaften von enormer Bedeutung.
Mehrfach sind sogar ganze archäologische Kulturen der Jungsteinzeit nach einer keramischen Leitform benannt.
Auch die Töpfereierzeugnisse der Havelländischen Kultur gelten als regelrechtes Markenzeichen dieser im unteren Havelgebiet und der Uckermark verbreiteten Gruppe des Mittelneolithikums.
Die abgebildeten Keramiken aus Päwesin, Butzow und Dreetz (v.l.n.r.) dürfen im wahrsten Sinne als Musterbeispiele der Havelländischen Kultur gelten. Noch heute beeindruckt die feine Ausführung der Verzierungen und die Ästhetik dieser etwa 5000 Jahre alten Gefäße.
Charakteristisch für die Keramik der Havelländischen Kultur sind die reichen, beinahe teppichartigen Verzierungen der Gefäße, die aus verschiedenen Stich-, Ritz- und Stempelmustern bestehen können. Auch Knubben, Ösen oder warzenähnliche Fortsätze sind vereinzelt an Tassen, Amphoren und Töpfen bzw. Hängegefäßen angebracht worden. Selten haben sich sogar Reste einer weißen Inkrustation in den eingestochenen Mustern erhalten. Derartige Verzierungen kamen besonders eindrucksvoll zur Geltung.
Die aufwendig gestalteten Gefäße gelangten oftmals als Beigaben in die Körpergräber jener Zeit, doch sind auch Funde aus Siedlungen bekannt.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM


Ein Keulenkopf aus Criewen

Keulenkopf, Marmor, 4800 v.Chr. bis 4500 v. Chr., Criewen, Lkr. Uckermark

Foto: AtelierThomasBartel, BLDAM

Im Jahr 1958 spielten Kinder auf einer Geländekuppe am Lauf der Alten Oder bei Criewen. Hierbei stießen die überraschten Schüler auf menschliche Knochen. Die sterblichen Überreste wurden 1961/62 fachgerecht vom Museum für Ur- und Frühgeschichte, unter der Leitung von Horst Geisler, freigelegt und untersucht.
Es fanden sich zwei, teilweise gestörte Bestattungen, die auf der Kuppe des Rollmannsberges eingetieft waren. In beiden Fällen barg man ein von Rotsand umgebenes Männerskelett in gestreckter Rückenlage mitsamt diversen Beigaben. Auf den ersten Blick folgen beide Befunde der Beisetzungstradition mesolithischer Jäger und Sammler. Radiokarbonanalysen datieren beide Gräber auf 4700 bis 4500 v. Chr., und somit in die Übergangsphase zwischen Mittel- und Jungsteinzeit.
In dieser Zeit war das heutige Brandenburg dicht bewaldet. Mobile oder semi-sesshafte Gruppen von Jägern, Sammlern und Fischern lebten in diesen Weiten. In Gebiete mit fruchtbaren Lößböden wanderten nun erste Ackerbauern und Viehzüchter ein, die sich hier permanent niederließen. Über viele Generationen lebten mittelsteinzeitliche Jäger und Sammler und die jungsteinzeitlichen Dorfbewohner nebeneinander her – doch nicht ohne Kontakte, wie es scheint.
Ein Beleg hierfür könnte Grab 1 aus Criewen sein. In ihm lag ein etwa 25-jähriger Mann, dem man einen Knochendolch und eine Feuersteinklinge mitgegeben hatte. Weiterhin fanden sich 36 durchlochte Schneckengehäuse, die einst als Kleiderbesatz gedient haben dürften. Zu den Grabbeigaben gehörte auch ein Keulenkopf aus hellem, mamorähnlichem Kalkstein.
Dieses apfelförmige, mittig durchbohrte Artefakt misst 7,5 cm in der Breite und 5,8 cm in der Höhe. Reste einer Schäftung sind nicht erhalten, doch ist eine rezente Bruchnaht erkennbar. Steinerne Keulenköpfe sind aus mittel- sowie aus jungsteinzeitlichen Kontexten bekannt. Meist werden sie als schlagkräftige Waffen, aber auch als Statussymbole und Arbeitsgeräte gedeutet. Marmorne Keulenköpfe sind jedoch untypisch für das Mesolithikum und weisen in die Rössener Kultur, in der bereits sesshafte Gruppen Ackerbau und Viehzucht betrieben. Ihren Verbreitungsschwerpunkt hat diese neolithische Kultur in Mitteldeutschland, doch reichen versprengte Ausläufer bis in die Uckermark. So werden beispielsweise zwei geglättete Marmorarmringe aus einem Grab in Grünow bei Prenzlau ebenfalls als Rössener Einfluss gedeutet.
Wie der Keulenkopf in den Besitz und schließlich in das Grab des jungen Mannes gelangte, wird sich nicht mehr klären lassen. Die Kontakte und den wechselseitigen Einfluss zwischen mesolithischen Jägergruppen und frühen Bauern werden zukünftige Forschungen jedoch mit Sicherheit weiterverfolgen.
Text: Fatima Wollgast, BLDAM

Artikel auf facebook nachlesen

Viele unserer Blicke in die Sammlung können Sie jederzeit auch auf facebook einsehen und mit Freunden teilen - jetzt anzeigen
(vorher einloggen damit der Link funktioniert)

gefördert durch:
Das Projekt des Archäologischen Landesmuseum Brandenburg wurde gefördert durch das Ministerium für Kultur und Medien
Das Projekt des Landesmuseums Brandenburg wurde gefördert
Das Projekt des Archäologischen Landesmuseum Brandenburg wurde gefördert durch die Kulturstiftung
Das Projekt des Archäologischen Landesmuseum Brandenburg wurde gefördert durch Kultur Gemeinschaften